VENEZUELA KEHRT IWF UND WELTBANK DEN RÜCKEN ZU
: Mühsame Befreiung aus dem Würgegriff

Venezuela gibt dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank den Laufpass. Damit reagiert Präsident Hugo Chávez am konsequentesten auf die Legitimitätskrise der beiden Finanzorganisationen aus Washington, die er zu Recht als „Interessenvertreter des Empire“ bezeichnet. Die Ankündigung aus Caracas ist der jüngste Schlag gegen die Bretton-Woods-Organisationen, die sich in den 63 Jahren seit ihrer Gründung immer mehr zu finanz- und wirtschaftspolitischen Knebelinstrumenten für die Regierungen des Südens entwickelt haben. Chávez will die zaghaften Reformversuche in IWF und Weltbank nicht abwarten, die ja an der Dominanz der westlichen Industriestaaten kaum etwas ändern werden.

Bereits Ende 2005 hatten Brasilien und Argentinien ihre Schulden vorzeitig an den IWF zurückgezahlt, der nun mit dem Ausfall der fest eingeplanten Zinszahlungen zu kämpfen hat. Ecuadors Präsident Rafael Correa folgte vor kurzem, und letzte Woche verwies er den Weltbank-Vertreter in Quito wegen „Erpressung“ des Landes.

Die Finanzmärkte reagieren auf all dies gelassen, denn wie seine Kollegen hat auch der Feuerkopf Chávez bislang alle öffentlichen Auslandsschulden bezahlt oder nach innen umgeschichtet. Die Schuldenlast in Milliardenhöhe bleibt aber eines der größten Hemmnisse im Kampf gegen die Armut. Dagegen würde nur ein regional abgestimmtes Schuldenmoratorium helfen. Diesem Ziel ist die Region einige symbolische Schritte nähergekommen. Correa und Chávez sind auch eifrige Verfechter einer „Bank des Südens“, an der die Linksregierungen Lateinamerikas gerade basteln. Eine Alternative zu den US-dominierten Banken zu formen, ist aber ebenfalls ein langwieriger Prozess.

Dabei müsste vor allem die Logik der multilateralen Kreditgeber durchbrochen werden, die neokoloniale, umweltzerstörerische Großprojekte im Süden oft erst ermöglichen. Innerhalb der lateinamerikanischen Regierungslinken gibt es dafür nur bescheidene Ansätze. Auch von Chávez war in dieser Frage bislang wenig mehr als Lippenbekenntnisse zu hören. GERHARD DILGER