Ganz vage ganz viele Stellen streichen

Arbeitsplatzabbau bei Airbus: Verwirrspiel der Konzernleitung mit widersprüchlichen Zahlen. Hamburg ist aber am stärksten betroffenes Werk. Keine Klarheit gibt es dagegen für Nordenham und Varel. Widerstand ist schon jetzt angekündigt

Die groben Linien des Sparprogramms „Power 08“ sind seit zwei Monaten bekannt. Am 28. Februar hatte Airbus-Chef Louis Gallois bekannt gegeben, dass in den kommenden vier Jahren 3.700 Stellen in Deutschland abgebaut werden sollen. Der Stellenabbau solle durch natürliche Fluktuation, Vereinbarungen über freiwilliges Ausscheiden und weitere Maßnahmen erfolgen. Im deutschen Hauptwerk Hamburg sollten etwa 1.000 Stellen entfallen, zugleich würde es „unverzüglich“ eine dritte Endmontagelinie für das Modell A 320 erhalten und keine Produktionsanteile am Riesenflugzeug A 380 nach Toulouse abgeben müssen. Für Nordenham solle ein „industrieller Partner“ gesucht werden, das benachbarte Varel stehe „zur Disposition“.  SMV

VON SVEN-MICHAEL VEIT

Über den drohenden Abbau von Arbeitsplätzen beim Airbus-Konzern sickerten weitere Details am Wochenende durch. Das ganze Ausmaß des Sparprogramms „Power 08“ (siehe Kasten) blieb jedoch wegen widersprüchlicher Zahlen unklar. Es seien „noch viele Fragen offen“, sagte Daniel Friedrich, Sprecher der IG Metall Küste. Er habe „nur vage Informationen erhalten“, kritisierte der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates von Airbus Deutschland, Rüdiger Lütjen, in einem Radio-Interview die Informationspolitik des Konzerns.

Bei Gesprächen mit der Konzernleitung am Freitag in Toulouse habe er zwar die „Aufteilung auf die Standorte mit dazugehörigen Zahlen und Funktionen“ erfahren, aber keine weiteren Informationen erhalten. „Das ist keine Verhandlungsbasis“, sagte Lütjen. Letztlich müsse das Management entscheiden, ob es mit dieser Vorlage in Verhandlungen mit den Betriebsräten treten wolle. „Ich habe da große Zweifel“, sagte er.

Wie die taz am Samstag kurz berichtete, hatte Airbus-Chef Louis Gallois bei dem Treffen bestätigt, dass der Konzern in ganz Europa 10.000 Stellen abbauen wolle, darunter 3.700 in Deutschland. Besonders hart betroffen von Stellenstreichungen soll das deutsche Hauptwerk Hamburg-Finkenwerder sein. Allein hier sollen 2.317 der zurzeit etwa 11.000 Arbeitsplätze – davon fast 5.000 Leiharbeiter – wegfallen. Der deutsche Airbus-Sprecher Tore Prang bestätigte inzwischen diese Zahlen gegenüber der Agentur AP. Sie beträfen zur einen Hälfte Leiharbeiter, zur anderen Festanstellungen im Verwaltungsbereich.

Allerdings sollten keine festen Stellen in der Produktion gestrichen werden. Dort sollten noch im laufenden Jahr 1.000 neue Mitarbeiter eingestellt werden, so Prang. Ein Viertel davon würde feste Stellen erhalten, die überwiegende Zahl aber als Leiharbeiter beschäftigt.

Erst kürzlich hatte Airbus erklärt, allein für Hamburg 250 Ingenieure zu suchen. Die Verwaltung aber werde neu strukturiert. Dies sei, so Prang, „die Verhandlungsbasis“ für die anstehenden Gespräche mit der Arbeitnehmerseite. Gewerkschaftssprecher Friedrich stellte umgehend klar, dass diese Pläne „unannehmbar“ seien.

Unklar blieb dennoch das gesamte Ausmaß der Stellenstreichungen. Die einzelnen Angaben für die europäischen Airbus-Werke summieren sich auf lediglich 9.099. Die Differenz zur Gesamtzahl von 10.000 Arbeitsplätzen blieb vorerst offen. Eine mögliche Erklärung ist, dass in Hamburg tatsächlich mehr als 3.300 Arbeitnehmer vom Verlust ihres Jobs bedroht sind. Abzüglich der 1.000 neuen Stellen bliebe dann unterm Strich die offiziell genannte Zahl.

Keine konkreten Angaben waren auch zum Schicksal der niedersächsischen Werke in Nordenham und Varel mit zusammen rund 3.500 Beschäftigten zu erhalten. Aus Konzernkreisen hieß es dazu lediglich, in Nordenham gehe es „um 150 Stellen“. Der Standort steht zudem auf der Liste der Werke, die Airbus wahrscheinlich verkaufen will. Etwa Mitte Juli solle dafür „eine Lösung“ präsentiert werde, verlautete von Gewerkschaftsseite.

Vor zwei Monaten hatte Gallois erklärt, für Nordenham einen „industriellen Partner“ suchen zu wollen. Es gebe bereits „unaufgefordert Angebote“ interessierter Investoren. Das benachbarte Werk in Varel hingegen stehe „zur Disposition“. Dafür sollen „verschiedene Möglichkeiten ausgelotet“ werden.

Keine letztliche Klarheit gibt es zudem für die drei weiteren Airbus-Werke im Norden. Für Bremen und Stade hatte Airbus Ende Februar eine Bestandsgarantie signalisiert, für Buxtehude jedoch nicht. Zugleich aber hatte die Bremer Werksleitung auf einer Betriebsversammlung erklärt, es würden an der Weser mehr als 900 der rund 3.500 Arbeitsplätze entfallen. Davon war gestern jedoch keine Rede mehr. Allerdings könnte dies eine weitere Erklärung für die nicht präzisierten knapp 1.000 Stellenstreichungen sein.

So oder so seien die Streichungen weder den Beschäftigten zuzumuten, noch seien sie gut für das Unternehmen, befand Friedrich. Wie angesichts der Auftragslage und der Pläne von Airbus ein derart massiver Einschnitt verkraftet werden solle, sei nicht erkennbar. Der Gewerkschaftssprecher kündigte massive Proteste gegen den Stellenabbau an und erinnerte an den Aktionstag Mitte März mit mehr als 20.000 demonstrierenden Mitarbeitern. „Die Arbeitnehmerseite“, glaubt Friedrich, „ist durch diese Kampfmaßnahmen sehr gestärkt.“