Im Land der Ehrlichen

Wem die Gebühr gebührt (5): In Österreich dürfen die Zuschauer beim Programm des ORF mitbestimmen

Die Zuschauer des österreichischen öffentlich-rechtlichen Senders ORF bekommen für ihre Gebühr nicht nur zwei TV- und zwölf Radiosender – sie dürfen auch bei der Programmgestaltung ein Wörtchen mitreden. Von den 35 Mitgliedern des Publikumsrates mit Vertretern der Zivilgesellschaft werden sechs per Fax von den Gebührenzahlern gewählt. Drei davon plus drei weitere werden in den 35-köpfigen Stiftungsrat entsandt, der alle fünf Jahre den Generaldirektor wählt. Im August 2006 gaben sie den Ausschlag für die Abwahl der ÖVP-nahen Generaldirektorin Monika Lindner.

Die Kosten für das Mitspracherecht pendeln zwischen zwischen 17,18 und 21,88 Euro. Davon gehen allerdings jeweils nur 13,80 Euro an den ORF, der Rest an den Bund als Landesgebühren, Umsatzsteuer und ein Beitrag für Kunstförderung. Die Österreicher bezahlen brav ihre Rundfunkgebühren: Die für die Einbringung verantwortliche Gebühren Info Service GmbH (GIS) meldete für 2006 einen Schwarzseheranteil von nur drei Prozent. In anderen Ländern liegt der Anteil doppelt so hoch.

Neo-ORF-Chef Alexander Wrabetz hat für kommendes Jahr eine Erhöhung angekündigt. Die wird er wohl brauchen, wenn die Quoten weiterhin so schlecht bleiben wie in den ersten drei Wochen der Anfang April gestarteten Programmreform. Der Marktanteil im April ist gegenüber dem Vergleichsmonat im Vorjahr von 41,4 auf 38,5 Prozent zurückgegangen. Zwar machen die Programmverantwortlichen das ungewöhnlich schöne Wetter verantwortlich, doch ist die ermittelte Zufriedenheit mit neuen Sendungen bescheiden.

Dennoch bleibt der ORF der Platzhirsch. Im vergangenen Januar hielten die beiden Programme in den Kabel- und Satellitenhaushalten einen Marktanteil von 45,6 Prozent. Noch besser liegen die Rundfunkprogramme, die gemeinsam auf fast 80 Prozent kommen. Regionalprogramme und der mehrsprachige Jugendsender FM4 ergänzen das Angebot. Die Privaten besetzen nur Nischen.

Radio und Fernsehen waren bis vor wenigen Jahren Monopolbetriebe, deren Struktur und Aufgaben im Rundfunkgesetz von 1984 geregelt ist. 2001 machte die ÖVP-FPÖ-Regierung aus der Anstalt eine GmbH. Unter der Kampfparole „Entpolitisierung“ wurde der Einfluss der Regierung zementiert. Die Kontrolle obliegt nämlich einem Stiftungsrat von 35 Mitgliedern, die von Regierung (9), Parteien (6), Ländern (9), Publikumsrat (6) und Zentralbetriebsrat (5) entsandt werden. Der ORF hat einen Bildungsauftrag. Die Werbezeit ist beschränkt, Unterbrechungen sind verboten. Immer wieder kolportierte Pläne der ÖVP, einen Kanal zu privatisieren, sind vorerst ad acta gelegt.

RALF LEONHARD