Loyal zu Kretschmann sein und dabei links bleiben. Uff!

GRÜNE Wie viele Kompromisse vertragen wir, fragt sich der linke Flügel in Baden-Württemberg

STUTTGART taz | Die linken Grünen in Baden-Württemberg befinden sich in einem schwierigen Spagat: Da ist einmal der starke Realo Winfried Kretschmann, der das Gesicht der Partei ist. Und da sind linke Positionen in der Partei, etwa zum jüngst erzielen Asylrechtskompromiss, die nicht mit denen des Ministerpräsidenten zusammenpassen. „Wir müssen dann eine Konsensformulierung finden, mit der wir nach außen gehen, nur damit er nicht beschädigt wird“, sagt ein Grüner in Stuttgart.

Auf einem Kongress „Grün. Links. Baden-Württemberg.“ hat der linke Flügel der Landespartei am Sonntag erstmals in großer Runde darüber gesprochen, welchen programmatischen Einfluss man auf ein Landtagswahlprogramm nehmen möchte.

2016 wird in Baden-Württemberg gewählt, und die Grünen als Überraschungsgewinner von 2011 machen sich langsam Gedanken, wie sie den Erfolg wiederholen können. Am Machterhalt, so ungern sie das Wort selbst benutzen, sind auch die linken Grünen interessiert.

Der Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand will zwischen den Flügeln integrierend wirken. Er verspricht einen basisdemokratischen Prozess auf dem Weg zum Parteiprogramm. Nicht nur aus ideellen, sondern auch aus pragmatischen Gründen – die Grünen seien als Partei mit ihren Strukturen relativ klein, und man brauche deshalb jede Kraft auf dem Weg zu den angestrebten 25 Prozent. „Wir dürfen niemanden verlieren, wenn wir einen erfolgreichen Wahlkampf machen wollen“, sagt er.

Wie ein Stachel im Fleisch

Der Asylkompromiss, bei dem die linke Stimme aus dem Land aus Rücksicht auf den Ministerpräsidenten nicht hörbar artikuliert wurde, sitzt bei vielen Linken wie ein Stachel im Fleisch. Winfried Hermann, Verkehrsminister unter Kretschmann, versucht bei seinen linken Parteifreunden Verständnis für Kompromisse zu schaffen. Das Regieren bestehe nun mal aus diesen, meint Hermann. „Wenn wir den Kompromiss schlechtreden, reden wir die parlamentarische Demokratie schlecht“, sagt er.

Die Partei müsse auch im Programmprozess darauf achten, dass sie nicht nur Grundsatzfragen wie im Asylkompromiss diskutiere, sondern auch Themen aufgreife, die in der Lebenswelt der Baden-Württemberger eine Rolle spielten.

Die Grünen sind in Baden-Württemberg auf dem Weg zur Volkspartei. Auch Hildenbrand sagt: „Da muss man eine große Heterogenität abdecken können.“ Bei der Entwicklung eines Wahlprogramms will er aber radikal grün denken und den Kompromiss, der für die Grünen bestenfalls im späteren Regierungshandeln nötig wird, noch nicht im Kopf haben.

LENA MÜSSIGMANN