ursula nölle, entwicklungshelferin
: Eine afghanische Handlungsreisende

URSULA NÖLLE, 82, hat fünf Kinder, 13 Enkel und war 26 Jahre lang Turnlehrerin an einer Schule in Hamburg. FOTO: PRIVAT

Dreißig Lehrgebäude baute der von Ursula Nölle gegründete „Verein zur Unterstützung von Schulen in Afghanistan“ im Nordwesten des Landes am Hindukusch. Gestern wurde die 82-jährige Hamburgerin mit dem Prix Courage ausgezeichnet. Der mit 20.000 Euro dotierte Preis wird alljährlich vom NDR-Frauenmagazin Mona Lisa und einem Kosmetikhersteller an „außergewöhnliche Frauen“ vergeben. Das Geld soll an die afghanische Familie eines Vereinsmitarbeiters gehen, den Unbekannte im Februar in Andkhoi erschossen.

Dort, in der eng besiedelten Region um Andkhoi, einer alten Karawanenstadt, beschäftigt die gemeinnützige Organisation hundert Bauarbeiter, sechzig Lehrer und viele freiwillige Helfer. Der Verein bietet Englischunterricht, Computer- und Alphabetisierungskurse, Schneiderausbildungen für Frauen und Tischlerlehren für Männer an, bohrt Brunnen in die trockene Erde und ermöglichte in den vergangenen Jahren knapp 100.000 Kindern eine Ausbildung. Das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse verlieh der deutsche Staat Ursula Nölle im November 2006 dafür.

Die Wurzeln ihres Engagements liegen im Jahre 1983, als Nölle auf einer Urlaubsreise ein afghanisches Flüchtlingslager an der pakistanischen Grenze erlebte. „Die Gastfreundschaft und der Mut besonders der Frauen haben mich sehr beeindruckt“, sagt sie. Unter diesen Eindrücken gründete sie den Verein „als Hilfe zur Selbsthilfe“, akquirierte Spendengelder und reiste seitdem etwa vierzig Mal nach Afghanistan.

Sie bereiste Afghanistan auch, als dort ein Gottesstaat errichtet war, der seinen Frauen alle Rechte nahm. Sie habe „sehr stur“ sein müssen, um von den Taliban ein Visum für das damalige Islamische Emirat Afghanistan zu erhalten. Einmal, als ihr auch nach dem sechsten Gesuch die Einreise über Pakistan verwehrt wurde, weigerte sie sich vom Stuhl aufzustehen. „Solange blieb ich sitzen“, erinnert sie sich, „bis der diplomatische Vertreter der Gotteskrieger einlenkte“. Ein Ziel trieb sie, allen politischen Widrigkeiten zum Trotz, immer wieder in die von Gebirge und Kriegen zerklüftete afghanische Wirklichkeit: Schulen bauen. MJK