Sauce béarnaise vom Treckerfranz

Morgen wählen die Franzosen wieder Gott. François Bayrou will nur Jesus werden

Der Mandelaugenmann Bayrou ist der Richard Gere der französischen Politik

Das Audimax der Straßburger Universität platzt aus allen Nähten. Es ist Wahlkampf in Frankreich, gesucht wird ein neuer Boss de la République, und vorn am Katheder redet der wochenlange Shootingstar aller Umfragen: François Bayrou. Der Mann weiß, wo er ist, und er sprüht förmlich vor Pathos, nicht so wie sein wuselnder Gegner Nicolas Sarkozy mit der immer leicht zischenden Aussprache, die eher nach Schlangenbissen denn nach Wörtern klingt, nein, und auch völlig anders als die Schmierenheilige Ségolène Royal, die ihren Siegeswillen – klopfklopf macht die Faust auf dem rechten Fleck – „hier, in meinem Herzen“ spazieren trägt. Franzos Bayrou ist aus anderem Holz, er ist der Richard Gere der französischen Politik, mit diesem Blinzelblick aus Mandelaugen, der fürchterlich treudoof und unheimlich smart zugleich wirkt.

Der Mann weiß, dass er im Elsass spricht, und er sprüht förmlich vor Glück, denn hier kann er zum tausendundersten Mal und nun aber mal richtig dicke seine beiden Lieblingsthemen auftragen. Numéro un ist die „Grande Coalition“ jenseits des Rheins, eine Göttergabe gleichsam, indes noch viel zauberhafter als diviner Zauber, da nämlich aus menschlicher Weisheit und Einsicht geboren. „Die deutschen Wähler“, beginnt Bayrous Hohelied, „haben 2005 ganz genau gewusst, was sie da machen, als sie mit ihrer Entscheidung die beiden großen Parteien gezwungen haben, sich an einen Tisch setzen.“ Dass die vor „intelligence“ nur so strotzenden Deutschen, hätten sie dies so vorgesehen, zu je 45 Prozent Union und SPD gewählt und das Kleinvieh in die APO-Wüste geschickt hätten, weiß selbstverständlich auch Bayrou, und seine Lüge ist umso perfider, als nicht jeder Ottonormalfranzose das tatsächliche Wahlergebnis aus dem Effeff kennt, denn auch das weiß Bayrou ganz genau.

Der Mandelaugenmann möchte also die deutsche Grandezza nach Frankreich importieren, möchte in Jesusmanier seine Feinde lieben, schlägt dich ein Gegner von rechts, so halte ihm auch noch die Linke hin; in Wahrheit jedoch möchte er rinks und lechts in einen Saucentopf werfen, bis zur Unkenntlichkeit vermanschen und dabei den Chefkoch mimen. Der katholische Bauernsohn aus dem südwestfranzösischen Béarn sagt Sätze wie: „Ich ziehe meine Bahnen. Im Rhythmus des Traktors.“ Treckerfranz Bayrou predigt Frieden, Güte, Eierkuchen, und damit fängt er die Franzosen momentan wie Ratten.

Numéro deux auf seiner kleinen Themenspeisekarte heißt: „L’Europe“. Ja, die Verfassungskrise, o Wehklag und Lamenter, o Jammer und Schauder, la misère du non français, und dann erzählt Onkel Franz eine Geschichte, die einem die Spucke gefrieren lässt: „Da hat man dem Volk vor zwei Jahren einen Text vorgelegt, der schlichtweg unlesbar ist. Und da haben sich die Franzosen gesagt, wenn wir das nicht verstehen können, dann vielleicht, weil wir nicht sollen. Und wissen Sie was? Ich selbst blicke da ebenso wenig durch, und da habe ich das Vertragswerk meinen juristischen Fachleuten vorgelegt, und die kapieren es auch nicht.“ Ja, Himmelarsch und Satansbraten, der Mann sitzt seit Jahren in der Nationalversammlung, winkt Gesetzesvorlagen der Rechtsregierung bis zum Abwinken durch und kommt plötzlich auf die Idee, dass derlei Texte anders gestrickt werden als die Predigt für die Sonntagsmesse von Biarritz.

Der Entwurf soll also geändert werden, nicht aber inhaltlich, sondern stilistisch. Wie stellt sich Treckerfranz das vor? Artikel 1: Alle Europäer sind super und so, und Jesus hat sie alle gleich lieb. Artikel 2: Das Europaparlament ist auch ganz dufte und wichtig und muss noch wichtiger werden. Artikel 3: Die EU braucht einen Außenminister, das wär hyperchic, aber nicht Cohn-Bendit, der ist zu wenig Mitte.

Daheim gedenkt Monsieur das Parlament zu stärken, den Exekutivenfilz aufzulösen und die sakrosankte Machtfülle des Präsidenten anzutasten. Das klingt frech, das klingt frisch, das klingt knackig. Ein Verhältnis- soll das Mehrheitswahlrecht ersetzen. Doch wie gedenkt jemand, dessen Juristen keine Paragrafen verstehen und der selbst zu bescheuert ist, sich die Bürgerversion der EU-Verfassung von den einschlägigen Webseiten herunterzuladen, all diese konstitutionellen Revolutiönchen in Stein zu meißeln? Und während die Straßburger Kommilitonen noch über eine Antwort sinnieren, kommt er schließlich doch noch, dieser herrlich verräterische Politikersatz, der umso besser im Abgang ist, je abgestandener er schmeckt: „Niemand braucht zu meinen, dem französischen Volk etwas vormachen zu können. Unser Souverän hat politisches Kalkül noch immer durchschaut und die Verantwortlichen mit seiner autonomen Entscheidung dafür abgestraft.“ Wenn François Bayrou etwas von Herzen zu gönnen ist, dann genau dies – und nur dies. ROLAND BURSCH