Versteckspiel ums Gen-Öl

Nur weil Brüsseler EU-Richtlinien die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Zutaten vorschreiben, weiß der Restaurantbesucher in NRW noch lange nicht, was ihm aufgetischt wird

DÜSSELDORF taz ■ Der Einzelhandel hat die für ihn richtigen Schüsse gezogen: Seit die EU-Kennzeichnungsverordnung von April 2004 in Kraft ist, stellt er erst gar keine Lebensmittel ins Regal, die gentechnisch veränderte Zutaten enthalten und als solche gekennzeichnet werden müssten. Schön für die Verbraucher. Aber wie sieht es in Restaurants, Pommesbuden, Kantinen und Mensen aus? Keine Kennzeichnung weit und breit, auf den Speisekarten der Gaststätten in NRW wie auch anderswo findet sich nirgends ein Hinweis auf gentechnisch veränderte Zutaten. In München hat Greenpeace bei der Kontrolle von 120 zufällig ausgewählten Restaurants bei etwa 20 Prozent genetisch veränderte Öle gefunden – ausgezeichnet war das nirgends.

Auch in Nordrhein-Westfalen hat Greenpeace nachgeforscht. Manfred Bigge von Greenpeace Köln: „In zahlreichen Kölner Restaurants haben wir festgestellt, dass dort Gen-Öle verwendet werden, deren Kennzeichnungen finden wir nie. Oft wissen die Betreiber nicht mal, dass sie wegen fehlender Kennzeichnung Bußgelder riskieren“, so Bigge.

Die Verbraucher lehnen Gentechnik in Lebensmittel mehrheitlich ab. Einer Eurobarometer-Umfrage (2006) zufolge wollen gut 70 Prozent davon nichts wissen. Lebensmittelkonzerne wissen das und handeln danach. Ende der 90er Jahre brachte Nestlé den genmanipulierten Schokoriegel Butterfinger auf den Markt. Er blieb im Regal liegen. Das will kein Konzern riskieren. Es liegt also an der Kennzeichnung, ob genmanipulierte Lebensmittel verkauft werden oder Ladenhüter bleiben.

In NRW ist die Umsetzung der EU-Kennzeichnungsverordnung Sache der Lebensmittelüberwachungsämter der Kreise und kreisfreien Städte. Wenn also in Restaurants mit Gen-Öl gekocht wird, die Gäste davon aber nichts erfahren, liegt ein Verstoß des Restaurantbetreibers vor. Wenn diese Kennzeichnungspflicht jedoch flächendeckend straflos missachtet wird, dann liegt ein Aufsichtsproblem vor. „In den Gaststätten werden routinemäßig Kontrollen durchgeführt“, sagt Eberhard Jacobs vom Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz. „Dabei geht es in der Regel um Hygienestandards, aber auch um die Gentechnikkennzeichnung. Wenn etwas gentechnisch verändert ist, muss lose Ware genauso gekennzeichnet werden wie abgepackte.“ Auf die Frage nach der Anzahl festgestellter Verstöße muss Jacobs leider passen.

Aufsichtsprobleme kennt der Verbraucher spätestens seit dem Gammelfleischskandal. Zu wenig Personal ist ein häufig genannter Grund. Findet hier die Genlobby-freundliche Haltung der Landesregierung ihre Entsprechung in einer Politik, die die Interessen der Verbraucher hintan stellt? TONI SPEIER