Mit voller Energie im Parlament

Viele aktuelle Umweltpolitiker sind eng mit Energieunternehmen verwoben, kritisiert Greenpeace. So sitzen die energiepolitischen Sprecher von Union und SPD im Beirat eines Kohle- und Atombauers. Kritik an Interessenkonflikt

VON MORITZ SCHRÖDER

Wenn demnächst im Bundestag über die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes debattiert wird, dann sitzt die Energiewirtschaft mit am Tisch. Denn die unterhält beste Kontakte in die deutsche Politik: Zahlreiche Abgeordnete haben nicht nur in ihrer Partei und in Fachausschüssen etwas zu sagen, sondern auch in Stromkonzernen.

Greenpeace hat gestern ein „Schwarzbuch Klimaschutzverhinderer“ vorgestellt. Dort listen die Umweltschützer auf, welche PolitikerInnen bei Energieunternehmen beschäftigt sind oder Kontakte in die Branche unterhalten. Darunter sind zehn aktuelle Bundestagsabgeordnete und zwölf LandespolitikerInnen. „Jetzt wird deutlich, warum in diesem Land in puncto Klimaschutz so wenig passiert“, lautet das Fazit von Andree Böhling, Energie-Experte bei Greenpeace.

Bei einigen Abgeordneten überschneiden sich die Arbeitsbereiche in der Wirtschaft und der Politik eindeutig. So sitzen die energiepolitischen Sprecher der Fraktionen von Union und SPD beide gleichzeitig im Beirat der Hitachi Power Europe GmbH, einem Anlagenbauer für Kohle- und Atomkraftwerke. Rolf Hempelmann, Energiefachmann der SPD, ist zudem Präsident des Fußballvereins Rot-Weiß Essen. Dessen Hauptsponsor ist die Steag AG, ein Kraftwerksbetreiber und Kohlehändler aus Essen. Da lasse sich eine Überschneidung von Interessen kaum vermeiden, kritisiert Greenpeace. Im August 2005 sagte Hempelmann dem Online-Magazin Telepolis: „Wir haben gerade beim Emissionshandel Rahmenbedingungen gesetzt, die dafür sorgen, dass es weiterhin Braunkohlekraftwerke in Deutschland geben wird.“

Auch sein Fachkollege Joachim Pfeiffer (CDU) sitzt im Beirat von Hitachi und war fünf Jahre lang bei der Energie-Versorgung Schwaben AG beschäftigt, die 1997 in EnBW überging. Pfeiffer hat sich dafür eingesetzt, die Atommeiler in Deutschland länger laufen zu lassen als mit dem Atomausstieg beschlossen. Im Jahr 2020 möchte er den Strom zu „30 Prozent aus Kernenergie“ gewinnen, trotz Ausstiegsbeschluss bis 2021.

Auch Bundesminister haben Erfahrungen in der Energiewirtschaft gesammelt. Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) saß dem Schwarzbuch zufolge bis Ende 2004 im Beirat der Eon Bayern AG. Damals war er schon fast 30 Jahre lang Abgeordneter des Bundestags. Ulrich Müller von der Organisation Lobbycontrol hält Nebenjobs wie die von Glos für besonders problematisch. „Diese Politiker haben einen sehr engen Draht zu den Themenfeldern der Unternehmen.“ Da Glos seine Posten bei den Unternehmen inzwischen niedergelegt hat, sieht Müller dort keine direkte Beeinflussung mehr.

Anders sehe das aus, wenn die PolitikerInnen aus dem Parlament direkt zu Unternehmen wechseln. Ein aktuelles Beispiel ist der ehemalige SPD-Europaabgeordnete Rolf Linkohr. Er sitzt im Aufsichtsrat des Energiekonzerns Vattenfall Europe Mining AG, ist Mitglied des Beirats von EnBW und hat darüber hinaus diverse Posten in der Energiebranche. Pikant: Bis Februar war Linkohr zudem Berater des EU-Energiekommissars Andris Piebalgs. Nach aufklärenden Briefen von Lobby-kritischen Organisationen beendete die EU-Kommission den Beratervertrag vorzeitig zum 1. Februar. Trotzdem beteuert Linkohr bis heute: „Ich sehe keinen Interessenkonflikt.“