„Es wird kein ‚neues Petersberg‘ geben“

RANGIN SPANTA, geboren 1954 in der westafghanischen Provinz Herat, hat 23 Jahre in Deutschland gelebt. Er ist seit März 2006 Außenminister Afghanistans.

taz: Herr Außenminister, Sie haben den SPD-Parteichef Beck für seine Äußerungen zum Thema moderate Taliban heftig kritisiert. Hat Sie eher die Einmischung in afghanische Angelegenheiten gestört oder eine falsche Einschätzung der Lage durch Beck?

Rangin Dadfar Spanta: Als Vertreter eines demokratischen Staates wünschen wir uns, dass unsere Freunde sich einmischen. Meine Kritik an Beck wurde in den Medien stark aufgebauscht. Eigentlich liegen wir nicht so weit auseinander. Die afghanische Regierung heißt alle willkommen, die ihre Waffen niederlegen und auf dem Boden unserer demokratischen Verfassung mit uns zusammenarbeiten wollen.

Aber Sie haben doch klar gesagt, es gebe keine moderaten Taliban und wenn Kurt Beck welche kenne, solle er Sie Ihnen mal zeigen?

Ich habe mich daran gestört, dass der Begriff „moderate Taliban“ leichtfertig in die Welt geworfen wurde, ohne zu sagen, was man damit meint. Das verunsichert unsere Bevölkerung.

Präsident Karsai führt angeblich Gespräche mit verhandlungsbereiten Kräften. Wer sind diese Kräfte?

Es geht gar nicht darum, jetzt Einzelpersonen aufzuzählen oder – ich sage es noch einmal – eine Bewegung der moderaten Taliban auszurufen. Wir haben ja sogar ranghohe ehemalige Taliban im Parlament sitzen, mit denen wir täglich zusammenarbeiten. Für unsere Stabilität ist auf der einen Seite wichtig, dass wir Stärke demonstrieren. Aber die Tür zu Verhandlungen muss ebenfalls immer offen stehen.

Also ist eine weitere Petersberg-Konferenz unter Einbeziehung der Taliban doch denkbar? Es heißt ja, Kurt Beck habe in seinen Äußerungen Anregungen aus Kabul aufgegriffen.

Es gibt definitiv keine Planungen auf der afghanischen Seite für einen solchen Schritt. Wenn man jetzt ein „neues Petersberg“ ausrufen würde, würde man die Legitimität unseres gewählten Präsidenten, unseres gewählten Parlaments, unserer gesamten demokratischen Staatsbildung in Frage stellen.

Karsai liegt derzeit ein Amnestiegesetz zur Unterschrift vor, das viele Afghanen kritisieren, weil es eine Aufarbeitung der Kriegsgräuel der letzten Jahre unmöglich machen würde. Wie wird sich der Präsident entscheiden?

Ich denke, er wird es unterschreiben. Vor dem Hintergrund der Situation in Afghanistan müssen wir versuchen, eine Balance zwischen Stabilität und Gerechtigkeit zu finden. Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass es trotz derartiger Gesetze nach einer gewissen Zeit doch möglich ist, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. INTERVIEW: ANETT KELLER