Jaruzelski angeklagt

Wegen Verhängung des Kriegsrechts 1981 muss sich Polens Ex-Regierungschef vor Gericht verantworten

WARSCHAU afp ■ Mehr als 25 Jahre nachdem er das Kriegsrecht in Polen verhängte, muss sich der damalige Machthaber Wojciech Jaruzelski vor Gericht verantworten. Die Strafverfolger in Warschau teilten gestern mit, dass sie den 83-Jährigen förmlich angeklagt hätten. Jaruzelski lenkte von 1981 bis 1989 im Namen der KP die politischen Geschicke Polens. Er muss bei einer Verurteilung mit bis zu zehn Jahren Gefängnis rechnen. In einem anderen Verfahren steht Jaruzelski derzeit bereits wegen seiner Rolle als Verteidigungsminister bei der Niederschlagung des Arbeiteraufstands an der Ostseeküste 1970 vor Gericht.

Die Staatsanwaltschaft legt Jaruzelski „kommunistische Verbrechen“ zur Last. General Jaruzelski hatte das Kriegsrecht am 13. Dezember 1981 im Kampf gegen die Gewerkschaft Solidarność verhängt. Mit der Anklage solle eine „Pflicht gegenüber der Nation“ und allen Opfern von „Ungerechtigkeit und Erniedrigung“ erfüllt werden, erklärte das für die Verfolgung von NS- und KP-Verbrechen zuständige Institut für die Nationale Erinnerung.

Nach der Verhängung des Kriegsrechts war die von Jaruzelskis Gegenspieler Lech Wałęsa gegründete Solidarność verboten worden und musste in den Untergrund gehen. Wałęsa und viele Solidarność-Mitglieder wurden inhaftiert. 1996 bescheinigte das polnische Parlament Jaruzelski, er trage keine Schuld an der Tötung von Menschen während des Kriegsrechts. Viele Polen meinen, Jaruzelski habe dem Land mit der Verhängung des Kriegsrechts eine sowjetische Militärintervention erspart. Gemeinsam mit Jaruzelski werden acht Mitglieder seiner Regierung vor Gericht gestellt.