Denkmäler mit Wachstumszyklus

GARTENKULTUR Blühende Stauden statt alter Steine: Erstmals fokussieren sich Deutschlands Denkmalpfleger bei ihrer Jahrestagung auf Grünanlagen. Paradebeispiel ist der privat finanzierte Bremer Bürgerpark

Ein Kieler Gartentheoretiker propagierte den „Volkspark“, die Bremer bauten ihn

Was war gut an der DDR? Dass die dortigen Denkmalpfleger das Thema Gärten und Parks schon auf dem Schirm hatten, als ihre Kollegen im kapitalistischen Ausland noch überwiegend Stein-fixiert waren. Erst 1981 wurde mit der „Charta von Florenz“ einem grünen Denkmalschutz außerhalb des real existierenden Sozialismus der Boden bereitet. Und weitere dreißig Jahre dauerte es, bis sich das Zentralorgan des Faches, die „Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland“ (VDL) per Jahrestagung dem Thema widmen wird. Bald aber ist es soweit: Wenn sich im Juni Deutschlands DenkmalpflegerInnen in Bremen versammeln, avancieren die Gartendenkmäler zum ersten Mal in der Geschichte der VDL zum Tagungsfokus.

Die Bremer als Konferenzausrichter haben das Thema gesetzt, weil sie der jüngsten Sparte des Denkmalschutzes neue Impulse geben wollen. „Gartendenkmäler sind besonders stark der Vergänglichkeit ausgesetzt“, sagt der Bremer Experte Rolf Kirsch. Insofern potenzierten sich in ihnen die prinzipiellen Probleme und Aufgaben des Faches.

Mit ihrer Akzentsetzung nutzen die Bremer eine historische Chance: Seit 1900 gibt es den öffentlichen „Tag der Denkmalpflege“, in Bremen fand er jedoch noch nie statt. Und bei der dazugehörigen Fachtagung, die seit Gründung der BRD durch die Bundesländer rotiert, bat Bremen in aller Regel darum, übersprungen zu werden: Zu gering erschienen ihnen die Kapazitäten ihres kleinen Amtes.

Der derzeitige Landeskonservator Georg Skalecki macht Schluss mit dieser Zurückhaltung – und Bremen ist tatsächlich prädestiniert für das Gartenthema: Die Stadt verfügt über eine bemerkenswerte Fülle von biologischen Denkmälern. Zahlreiche Reeder und Kaufleute ließen sich Sommersitze mit ausgetüfelten Parkanlagen errichten, die Umwandlung des Bastionsgürtels in die heutigen Wallanlagen war historisch ebenso wegweisend wie die Einrichtung des riesigen Bürgerparks: Über 200 Hektar, die keine huldvoll von einem Fürsten zur Verfügung gestellten Feudalanlage darstellen, sondern den im 18. Jahrhundert vom Kieler Gartentheoretiker Christian Hirschfeld propagierte Idee eines Volksparks entsprechen. Das Besondere an dieser „öffentlichen Gehölzanlage“, wie sie die Bremer Bürger bei der Gründung 1866 nannten, ist, dass sie seither ausschließlich privat finanziert wird. Dafür müssen jährlich gut zwei Millionen Euro gesammelt werden.

Den Bremern ist die Institution Bürgerpark ans Herz gewachsen: Das zeigen nicht nur die zahlreichen Vermächtnisse und Legate zugunsten des Parks, sondern auch der Umstand, dass die Bevölkerung klaglos die mehrwöchige Bürgerparktombola akzeptiert, die die Stadt regelmäßig mit Losbuden samt permanent aktiven Lautsprecher-Animationen durchsetzt.

Kirsch hält das Finanzierungsmodell des Bürgerparks angesichts leerer öffentlicher Kassen für wegweisend. Der Umstand, dass die Buden gerade abgebaut wurden, wird der Überzeugungskraft des Modells bei Kirschs 350 anreisenden Fachkollegen sicher steigern.

Doch der leicht geheimnisvoll gehaltene Tagungstitel „Unterwegs in Zwischenräumen“ verheißt mehr als Parkdebatten oder ein Update der „Charta von Florenz“. Er bezieht sich ausdrücklich auch auf Flächen wie die Bremer Überseestadt, die mit ihren 300 Hektar doppelt so groß wie die Hamburger Hafencity ist. Zwischen einzelnen unter Schutz gestellten Speichern und Schuppen liegen „Grauzonen des Denkmalschutzes“, wie Kirsch formuliert: Flächen, deren „Überformung“ kaum zu vermeiden ist. HENNING BLEYL

Weitere Informationen zum öffentlichen „Tag für Denkmalpflege“ am 5. Juni und zur anschließenden Fachtagung: www.denkmalpflege.bremen.de