Leere Straßen in Freetown, Alarmstimmung in New York

EBOLA Mit totaler Ausgangssperre ergreift Sierra Leone die bisher schärfste Maßnahme gegen das Virus. In Guinea töten Dorfbewohner ein Aufklärungsteam. Deutschland „prüft“ mehr Hilfe

„Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen“

PRÄSIDENT VON SIERRA LEONE

FREETOWN/CONAKRY/BERLIN afp/taz | Eine Ausgangssperre hat Freetown, die Hauptstadt von Sierra Leone mit 1,2 Millionen Einwohnern, am Freitag in eine Geisterstadt verwandelt. Bis zum Sonntag sollen 30.000 freiwillige Helfer im gesamten Land von Tür zu Tür gehen, um nach möglichen Ebola-Kranken zu suchen und die Bevölkerung aufzuklären.

Es ist die radikalste Maßnahme, die eine Regierung der betroffenen Länder in Westafrika bisher ergriffen hat. Die dreitägige Ausgangssperre betrifft nahezu alle sechs Millionen Einwohner von Sierra Leone. Ausnahmen gelten nur für medizinisches Personal und Sicherheitskräfte. Staatspräsident Ernest Koroma sagte in einer Radio- und TV-Ansprache, „außergewöhnliche Zeiten“ erforderten „außergewöhnliche Maßnahmen“. „Wenn alle auf die Empfehlungen der Aufklärungsteams hören“, werde die Ausgangssperre „erheblich dazu beitragen, die Geschwindigkeit der Ausbreitung“ von Ebola zu drosseln. Nach Angaben von Steven Gaojia, der die Ausgangssperre koordiniert, wurden für mögliche neue Krankheitsfälle 258 Betten in Behandlungszentren aufgestellt.

Sierra Leone verzeichnete bis zum vergangenen Wochenende nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO 562 Ebola-Tote, gegenüber 601 in Guinea und 1.459 in Liberia. Dem Virus sind in Westafrika demzufolge seit Anfang des Jahres 2.622 Menschen zum Opfer gefallen.

In Guinea wurden am Donnerstag Journalisten und acht Mitglieder eines Aufklärungsteams ermordet aufgefunden. Sie waren am Dienstag in das Dorf Womé im Süden des Landes gekommen. Den Behörden zufolge führte ihre Ankunft zu einem Aufstand, bei dem das Team getötet wurde; weitere 21 Menschen wurden verletzt. Die Dorfbewohner fürchteten, das Team werde ihnen Ebola bringen. Der UN-Sicherheitsrat bezeichnete die Ebola-Epidemie als Gefahr für den Weltfrieden. Konfliktherde könnten neu aufflammen und bereits erzielte Fortschritte zunichte gemacht werden, warnte das Gremium am Donnerstag in einer einstimmig verabschiedeten Resolution.

Die Bundesregierung prüft nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert, inwieweit sie ihre Hilfe verstärken kann. Die liegt nach derzeitigen Zusagen inzwischen bei 17 Millionen Euro. Größte Herausforderung sei, die Rahmenbedingungen für die Entsendung von Ärzten und medizinischem Personal herzustellen. Am Freitagnachmittag wollten die Staatssekretäre der zuständigen Bundesministerien beraten.

Die grüne Bundestagsfraktion kündigte an, kommende Woche per Eilantrag die Regierung zu konkretem Handeln aufzufordern. Mehr Material ohne mehr Personal zu schicken, sei „halbherzig“, sagte der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Uwe Kekeritz. D.J.