IN PAKISTAN REVOLTIEREN PASSAGIERE GEGEN VERSPÄTETE MINISTER
: Aufstand der Businessclass

aus Karatschi

SVEN HANSEN

Als der frühere pakistanische Innenminister und heutige Senator Rehman Malik Montagabend den Gang zu Flug PK-370 von Pakistan International Airlines von Karatschi nach Islamabad hinunterkommt, wartet schon eine wütende Gruppe Passagiere auf ihn. Er dürfe nicht mehr mitfliegen, rufen sie laut. Sie seien es leid, auf ihn zu warten. Was er sich einbilde, dass sie alle auf ihn warten müssten? Er sei nicht mehr Minister und selbst wenn, sie wollten sich das nicht länger bieten lassen. „Fahr zur Hölle“, ruft einer.

Der Abflug ist bereits zwei Stunden verspätet, wegen Malik, wie die wütenden Passagiere von der Besatzung erfahren. „Schämen Sie sich! Sie sollten sich bei allen entschuldigen“, rufen die aufgebrachten Männer. Der Kleidung nach sind sie wohlhabende Geschäftsleute. Einige filmen die Szene per Handy. Bald kursieren die Videos in sozialen Netzwerken. Selbst im benachbarten Indien ernten sie Beifall und lösen Aufforderungen zur Nachahmung aus.

Ein Video zeigt nicht nur ratlose Flugbegleiter, sondern auch, dass nach Malik noch ein weiterer Passagier viel zu spät zum Flieger kommt. Er ist weniger ängstlich als der Exminister, der schnell vor dem Mob aus der Businessclass davonläuft. Der Mann lächelt anfänglich noch. Die Passagiere wollen wissen wer er ist. Er stellt sich als Arzt vor. Doch sie glauben ihm nicht. Immer wieder wird er aufgefordert, sich zu identifizieren. Als sich herausstellt, dass er Abgeordneter der Regierungspartei ist, rufen die Sprechchöre in der Businessclass, wo er es sich bequem gemacht hat: „Schande, Schande.“ Die Beschimpfungen steigern sich, bis er schließlich den Flieger verlässt.

Am Tag drauf versucht der Berater des Ministerpräsidenten für Flugverkehr, ein ehemaliger Luftwaffenoffizier, mit einer gesichtswahrenden Erklärung die Wogen zu glätten. Aus technischen Gründen habe sich der Abflug um 90 Minuten verzögert, sagt er, die verspätete Ankunft des Exministers habe zu weiteren 25 Minuten Verspätung geführt. Malik erklärt per Twitter, er könne doch nichts dafür, wenn die Fluggesellschaft einen späteren Abflug ankündige. Er verlangt eine Untersuchung und vermutet einen „schmutzigen Trick“. Die staatliche Airline suspendiert zwei für die Flugabfertigung zuständige Mitarbeiter vom Dienst. PIA erklärt, das Flugzeug sei schon verspätet gelandet und habe deshalb nicht pünktlich abheben können.

Die Videos der wütenden Passagieren finden viel Beifall. In sozialen Netzwerken werden sie immer wieder geteilt und positiv kommentiert. „Gut gemacht. Es ist höchste Zeit, dass die Menschen in Pakistan aufwachen und solche Menschen rausschmeißen, die glauben, sich auf Kosten anderer so verhalten zu können,“ schreibt etwa Naeem Khan.

VIPs nehmen sich im halbfeudalen Pakistan viele Privilegien raus. Die stehen oft im diametralen Gegensatz zur schlechten Performance korrupter Politiker und hoher Staatsbeamter. Besonders die Zahl der Bodyguards sind Statussymbole, die wiederum die Eintrittskarte für VIP-Privilegien sind. Während Pakistans Reiche und Mächtige nur selten Steuern zahlen, werden für sie immer wieder Straßen gesperrt. Die Bevölkerung hat kaum Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren. Von VIPs verursachte Verkehrsstaus führten schon dazu, dass Mütter auf dem Weg zur Entbindung das Krankenhaus nicht rechtzeitig erreichten oder Verletzte unterwegs verstarben. Zumindest in der Businessclass regt sich jetzt Protest.