Microsoft greift zum Headset

ÜBERNAHME 8,5 Milliarden Dollar zahlt Microsoft für den Telefoniedienst Skype. Der ist zwar Marktführer, macht aber Verluste. Warum lässt sich Microsoft trotzdem darauf ein?

„Skypen“ gehört wie „googeln“ zum allgemeinen Sprachgebrauch. Doch Profit macht Skype nicht

VON TORSTEN KLEINZ

KÖLN taz | Für 8,5 Milliarden Dollar (umgerechnet etwa 5,9 Milliarden Euro) in bar kauft Microsoft den Internet-Telefonieanbieter Skype, wie beide Unternehmen am Dienstag bestätigten. Überraschend ist nicht die Übernahme von Skype, die wurde schon lange erwartet. Allerdings waren Google und Facebook als potenzielle Käufer im Gespräch. Nun schnappt sich Microsoft das Unternehmen, und zwar mit dem teuersten Zukauf seiner Unternehmensgeschichte.

Seit dem Jahr 2003 bietet Skype kostenloses Telefonieren übers Internet an. Mittels VOIP (Voice over Internet Protocol) wird das gesprochene Wort digitalisiert, in kleine Datenpakete zerlegt und über das Netz verschickt. Zusätzlich können die Nutzer Textnachrichten austauschen und sehen, wer gerade online ist. Im Jahr 2006 kam auch Videotelefonie dazu.

Die Gespräche unter Skype-Nutzern sind kostenlos; zahlen muss nur, wer im gewöhnlichen Telefonnetz anruft oder mit einer Telefonnummer erreichbar sein will.

Zwar ist Skype mit seinen 663 Millionen Nutzern in diesem Segment eindeutig Marktführer, aber profitabel arbeitet die einst von einem schwedischen und einem dänischen Unternehmer gegründete Firma mit Hauptsitz in Luxemburg noch lange nicht. Nur acht Millionen Nutzer nehmen die kostenpflichtigen Dienste in Anspruch; im vergangenen Geschäftsjahr erzielte das Unternehmen weniger als eine Milliarde Dollar Umsatz und einen Nettoverlust von sieben Millionen Dollar.

Microsoft abgehängt

Auch deshalb können viele Beobachter der Branche die Kaufentscheidung von Microsoft nicht ganz nachvollziehen: „Ich glaubte, dass das Geschäft keinen Sinn ergibt“, sagte etwa die Fachjournalistin Mary Jo Foley zu ihren Gründen, warum sie dieser Meldung zunächst keinen Glauben schenken wollte.

Nicht nur die schlechten Bilanzen von Skype scheinen gegen diese Übernahme zu sprechen. Denn Microsoft hat mit dem Windows Live Messenger längst eine eigene Kommunikationstechnologie im Angebot, inklusive Videotelefonie und Konferenzschaltungen für Privatkunden. Und für Geschäftskunden hat man erst Ende vergangenen Jahres die neue Plattform „Lync“ herausgebracht, die sich problemlos in die Office-Umgebung von Microsoft integrieren soll.

Der Kauf von Skype verwundert umso mehr, als dass Microsoft in der Vergangenheit mit Übernahmen nur selten glücklich wurde und sich nach der gescheiterten feindlichen Übernahme des Internet-Konzerns Yahoo vor drei Jahren auf Kooperationen konzentriert hatte.

Andererseits hat Microsoft inzwischen eine ganze Reihe von Produkten, mit denen man mit insgesamt eher mäßigem Erfolg daran arbeitet, dem jeweiligen Marktführer den Rang abzulaufen: Am besten läuft noch das Geschäft mit der Spielekonsole X-Box. Im Gegensatz dazu steht „Bing“, mit dem der Konzern aus Redmond versucht, von der Suchmaschine bis zum Bilderdienst das Kerngeschäft von Google zu kopieren. Und im Smartphone-Markt ist Microsoft trotz der neuen Plattform Windows Phone 7 und einer Partnerschaft mit Nokia noch immer keine Konkurrenz für die Marktführer Google und vor allem Apple, das Microsoft inzwischen als nach Umsatz und Gewinn größtes Technologie-Unternehmen der Welt überholt hat (siehe Grafik).

Kaufen, bevor Google kauft

Hier könnte Skype als Verbindung zwischen den verschiedenen Produkten aus dem Haus Microsoft nützlich sein – vom Office-Programm bis zur Spielkonsole. Ob das gelingen kann, ist jedoch unklar. Schließlich scheiterte auch schon Ebay daran, Skype in die eigene Plattform zu integrieren. 2,6 Milliarden Dollar zahlte Ebay im Jahr 2005 für Skype, ehe man den Telefonieanbieter vier Jahre und Milliarden-Abschreibungen später an Finanzinvestoren verkaufte.

Immerhin: In seinem eng abgegrenzten Markt ist Skype zweifellos die Nummer eins. Durch zahlreiche Kooperationen hat sich der Dienst auf vielen Endgeräten etabliert. So musste Apple den Dienst auf seinem eifersüchtig bewachten iPhone zulassen. Mit neuen Allianzen hat sich Skype ebenfalls auf den internetfähigen Fernsehgeräten etabliert, die gerade anfangen die Wohnzimmer zu bevölkern. „Skypen“ gehört wie „googeln“ mittlerweile zum allgemeinen Sprachgebrauch. Doch bisher vermag Skype diesen Vorteil nicht in Profit zu verwandeln.

Im März hat Skype deshalb angekündigt, in seinen Programmen künftig auch Werbung anzuzeigen. Für Microsoft ein gefundenes Fressen: In den letzten Jahren hat Microsoft stark im Online-Werbemarkt expandiert. Skype-Nutzer müssen sich darauf einstellen, in Zukunft nicht nur ihre Gesprächspartner, sondern auch Werbung für Autos und Kreditkarten zu sehen.

Doch der Hauptgrund für Microsoft dürfte ein anderer sein: Seit geraumer Zeit schmiedet Microsoft Allianzen gegen den Hauptkonkurrenten Google. So gibt es bereits seit 2006 eine Kooperation mit Facebook, wo Microsoft auch eine kleine Beteiligung hält. Wenn Microsoft Skype übernimmt, kann dies niemand anderes tun, vor allem Google nicht.