Rotes Kreuz beklagt Verschlechterung im Irak

Bericht: USA müssen Übergriffe auf Zivilisten verhindern. Schwere Kämpfe in Bagdad. Regierung vor dem Aus?

BAGDAD/GENF/BERLIN afp/ap/taz ■ Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, deutlich mehr gegen das wachsende Leid der Zivilbevölkerung im Irak zu tun. „Das beständige Leiden der irakischen Männer, Frauen und Kinder ist unerträglich und nicht hinnehmbar“, sagte IKRK-Einsatzleiter Pierre Krähenbühl gestern anlässlich der Veröffentlichung eines Berichts über die Lage der irakischen Zivilbevölkerung in Genf. „Die humanitäre Lage verschlechtert sich. Die internationale Gemeinschaft muss mehr tun, um der Zivilbevölkerung im Irak zu helfen.“

Krähenbühl forderte die US-Soldaten und ihre Verbündeten auf, Verstöße gegen das Völkerrecht zu verhindern. So müsse immer zwischen bewaffneten Kämpfern und Zivilisten unterschieden werden, auch wenn sie unter einem Dach lebten. „Die irakische Zivilbevölkerung zu schützen ist eine bedeutende Priorität und sollte jedermanns Priorität sein“, sagte der IKRK-Mitarbeiter.

Die sich verschlechternde Sicherheitslage im Irak führt für die Zivilbevölkerung laut Krähenbühl zu „Überschneidungseffekten“. So habe sich die medizinische Versorgung verschlechtert, weil viele Ärzte wegen der Gewalt das Land verließen. Nach Schätzungen des irakischen Gesundheitsministeriums seien bereits die Hälfte der Ärzte geflüchtet. In dem Bericht „Zivilisten ohne Schutz“ heißt es, rund 600.000 Iraker seien seit Februar 2006 aus ihren Häusern geflohen.

Mitarbeiter des Roten Kreuzes befragten kürzlich Irakerinnen über ihr Leben und was man tun könne, um ihnen zu helfen. Nach Angaben des britischen Rundfunksender BBC erwiderte eine Frau, sie wünsche sich Hilfe, „um die Leichen, die jeden Morgen vor unseren Häusern auf den Straßen liegen, einzusammeln, da wir niemanden finden, der sich traut, sie zu berühren oder zu entfernen“. Sie fügte hinzu, die Frauen fänden es „schlicht untragbar“, ihre Kinder allmorgendlich auf dem Schulweg diesem Anblick auszusetzen.

In der irakischen Hauptstadt Bagdad lieferten sich Aufständische und Streitkräfte die schwersten Kämpfe seit Beginn der US-Sicherheitsoffensive vor zwei Monaten. Die amerikanischen Truppen erklärten gestern, bei den Gefechten in den mehrheitlich von Sunniten bewohnten Stadtteilen Fadhil und Scheich Omar seien 20 mutmaßliche Rebellen getötet worden. Auch vier irakische Soldaten seien ums Leben gekommen.

Auslöser der Kämpfe am Dienstag sei ein Angriff während einer Razzia gewesen, erklärten die US-Streitkräfte. Danach wurden Kampfhubschrauber eingesetzt, die die Rebellen aus der Luft mit Maschinengewehren beschossen. Ein US-Kampfhubschrauber wurde vom Boden aus beschossen, stürzte aber nicht ab. Irakische Soldaten riegelte Fadhil gestern ab, die Menschen blieben in ihren Wohnungen.

Sechs irakische Minister drohten Regierungschef Nuri al-Maliki gestern mit dem Rückzug aus dem Kabinett. Sie protestierten damit gegen die Weigerung des Ministerpräsidenten, einen Zeitplan für den Abzug der Besatzungstruppen aufzustellen. Der Rücktritt der sechs Minister, die dem radikalen Geistlichen Muktada al-Sadr nahe stehen, könnte zum Zusammenbruch der Regierung führen.