LESERINNENBRIEFE
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Mehr Engagement ist nötig

■ betr.: „Wenn die Uniform sprechen könnte“, Reportage von Maryse Grari über das Empfinden von UN-Soldaten, taz vom 9. 8. 14

Unbekannte töteten am 6. Juni 2014 in Mutarule 34 unbewaffnete Zivilisten. Sie hatten in der Kirche der kleinen Ortschaft im Osten der Demokratischen Republik Kongo Zuflucht gesucht. Weder die in der Nähe stationierten Soldaten der kongolesischen Armee noch die der Vereinten Nationen griffen ein.

Das Mutarule-Massaker bestätigt den Tenor des Artikels. Der Artikel zitiert UN-Soldaten im Kongo aus der Zeit 2011 bis 2012, frustriert über ihre Rolle als passive Beobachter, über langsame Entscheidungswege und fehlende Anerkennung. Indes hat sich seit 2012 viel getan, es gibt durchaus Fortschritte in der Befriedung und Stabilisierung des Kongo. Ereignisse wie in Mutarule stellen heute eher erschütternde Ausnahmen dar, gewiss aber nicht die Regel. Der UN-Sicherheitsrat gab der UN-Friedensmission im Kongo 2013 ein robustes Mandat, um offensiv gegen bewaffnete Milizen mit einer 3.000 Mann starken Eingreiftruppe vorzugehen. Kaffeerunden von Blauhelm-Kommandeuren mit Warlords gehören damit der Vergangenheit an.

UN-Truppen kämpfen Seite an Seite mit der kongolesischen Armee. Zusammen haben sie bereits die M23 und die ADF besiegt, zwei der bedrohlichsten Rebellengruppen. Dabei sind elf Blauhelme 2013 zu Tode gekommen, fünf hat der Einsatz bislang in 2014 das Leben gekostet. Jetzt werden Einsätze gegen die FDLR geplant. Robustes Eingreifen in Kombination mit zivilen (Folge-)Maßnahmen schafft die Grundlage für dauerhaften und nachhaltigen Frieden. Noch nie in der Geschichte der UN gab es eine solche Eingreiftruppe. Bis dato gab es auch keine unbewaffneten Aufklärungsdrohnen. All dies ist präzedenzlos.

Drohnen helfen, Militäroperationen zu planen, aber auch Gefahren für Zivilisten frühzeitig zu identifizieren. So etwa am 5. Mai: Dank der Drohnenbilder rettete die UN-Mission 14 Personen von einem sinkenden Schiff auf dem Kivu-See. Der Schutz von Zivilisten ist die oberste Priorität für alle UN-Mitarbeiter. Soldaten sind dabei nicht Akteure zweiter Klasse; im Gegenteil, ihnen kommt vielmehr eine besondere Verantwortung zu. Denn ihre Aufgabe ist es, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen mit militärischen Mitteln zu stoppen. Wie UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zum 20. Jahrestag des Völkermords in Ruanda erklärte: Wenn Menschenleben in Gefahr sind, dann gilt: nicht fragen, handeln, egal woher die Bedrohung kommt!

Ich habe in Mutarule persönlich den Dorfbewohnern mein Beileid ausgesprochen und die Verantwortung für den Vorfall übernommen. Der Kommandeur des UN-Militärlagers wurde von seinen Aufgaben enthoben. Denn Passivität ist keine Option. Niemals wieder Srebrenica, niemals wieder Ruanda. Weder im Kongo noch sonstwo.

Hierfür brauchen wir auch die Hilfe der Bundesregierung. Deutschland ist gerade dabei zu definieren, was es heißt, „mehr globale Verantwortung“ zu übernehmen. Die Diskussion über die Waffenlieferungen an die Kurden ist Teil dieses neuen Selbstverständnisses. Deutschland sollte sich auch in Afrika mehr engagieren. Afrikas Probleme sind politischer Natur. Entwicklungspolitische oder rein finanzielle Leistungen reichen nicht. Wir brauchen politisches Engagement, bilateral und im Rahmen der Vereinten Nationen. Unter den 20.000 Soldaten der UN-Friedensmission im Kongo ist kein Deutscher. Auch im zivilen Bereich sucht man Deutsche mit der Lupe.

Es ist an der Zeit, sich stärker zu engagieren – im Interesse der Bevölkerung im Kongo. Dort sind in den vergangenen 20 Jahren mehrere Millionen Menschen durch bewaffnete Konflikte und deren Ursachen gestorben. Die Menschen im Kongo haben Besseres verdient. MARTIN KOBLER, Leiter der UN-Friedensmission im Kongo

Schlicht und einfach ermordet

■ betr.: „Britische Geisel hingerichtet“, taz vom 15. 9. 14

Oh nein, David Haines wurde nicht hingerichtet, was einen Prozess und ein Todesurteil durch ein legal eingesetztes Gericht vorausgesetzt hätte. Der „IS“, der weder ein islamischer noch sonst irgendein Staat ist, hat ihn – wie so viele andere auch – schlicht und einfach ermordet.

Und so möchte ich die Sache bitte auch bezeichnet wissen, damit diesem Verbrechen auch nicht der kleinste Anschein von Legitimität zuteil wird. VOLKER SCHEUNERT, Hamburg

Neuer Absolutismus

■ betr.: „Minimale Änderungswünsche“, taz vom 12. 9. 14, „Vorsicht, Tisa“, Le Monde diplomatique vom 12. 9. 14

Wenn ich an ein und demselben Tag in der taz über TTIP und Ceta und in der Le Monde diplomatique über Tisa lese, dann bekomme ich eine Ahnung von der Wirklichkeit.

Nach zwei Jahrhunderten, die von den Ideen der Demokratie und des Sozialen geprägt waren, geht es wieder zurück. Die Gestaltung der Welt findet nicht in der Politik statt, sondern unter der Oberfläche bei den multinationalen Konzernen und internationalen Interessenverbänden, welche sich in Thinktanks mit eitlen Wissenschaftlern verbünden und mit Hilfe der Medien ihre langfristigen Strategien verfolgen.

Was wir zu sehen kriegen, sind nur die Büttel und Moderatoren aus der Politik, die gern in der Öffentlichkeit stehen und ihre Popularität genießen. Die wahren Gestalter und die wahren Strukturen der Willensbildung bleiben unsichtbar. Da sind wir unterwegs in einen neuen Absolutismus, den liberalen Absolutismus. Und die absoluten Fürsten sind die Oligarchen in Ost und West.

ULRICH VARWIG, Duisburg