Leichen auf syrischen Straßen

SYRIEN Proteste in zahlreichen Städten nach dem Freitagsgebet – außer im abgeriegelten Deraa. Dort sollen jetzt UN-Teams eintreffen

Der bekannte Menschenrechtsaktivist Riad Seif soll festgenommen worden sein

BERLIN/DAMASKUS/BEIRUT taz/dapd | In Syrien hat sich die mittlerweile landesweite Protestbewegung auch gestern wieder nicht einschüchtern lassen. Trotz eines massiven militärischen Einsatzes in der belagerten und unter Ausgangssperre stehenden südlichen Stadt Deraa und in weiteren Städten gingen am Freitag erneut Zehntausende zu einem „Tag der Unbeugsamen“ auf die Straße. Auch in der östlichen Provinz bei der Stadt Deir ez-Zor kam es zu Kundgebungen gegen das Regime.

Bereits vor den Freitagsgebeten wurde aus den größeren Städten Damaskus, Homs, Hama, Latakia, Aleppo und auch aus Banias, das in den vergangenen Tagen Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen der Protestierenden mit den Sicherheitskräften gewesen war, der Aufbau von vielen militärischen Checkpoints an strategisch wichtigen Punkten gemeldet. Nach Angaben von Aktivisten sollen die Sicherheitskräfte in die Al-Hassan-Moschee in Damaskus eingedrungen sein und die Menschen im Vorfeld der Demonstration „attackiert“ haben.

Aus Homs meldeten oppositionelle Internetseiten fünf tote Demonstranten, aus Hama wurde gemeldet dass das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte eine unbestimmte Zahl von Toten und Verletzten forderte. Kurz darauf erklärte die syrische Menschenrechtsorganisation SOHR, dass der bekannte Dissident und Menschenrechtsaktivist Riad Seif, 64, der schon im Syrischen Frühling 2001 eine tragende Rolle in der intellektuellen Opposition spielte, festgenommen worden sei.

In Deraa blieben die meisten Menschen aus Angst vor weiterer Polizeigewalt gestern in ihren Häusern. „An jeder Ecke steht in Deraa ein Panzer, man kann heute keine Demonstration abhalten“, sagte ein Anwohner der Nachrichtenagentur AP per Telefon. Daraa mache eine Pause, da ansonsten nur mit weiteren Todesopfern zu rechnen sei. Stattdessen versammelten sich tausende Bewohner umliegender Ortschaften im Ort Tafas, 12 Kilometer nordwestlich von Deraa. Ein medizinisches Team des Roten Kreuzes erhielt unterdessen erstmals Zugang zu der Stadt.

UN-Sprecher Farhan Hag sagte am Freitag vor Journalisten, dass die syrische Regierung humanitären Teams der Vereinten Nationen Zugang zu Deraa gestatten würde. UN Generalsekretär Ban Ki Moon hatte von Präsident Baschar al-Assad am Mittwoch in einem Telefonat verlangt, der UN sofortigen Zugang zur Nothilfe in den umkämpften Gebieten zu gestatten, und ihn außerdem aufgefordert, das brutale Vorgehen gegen die Demonstranten umgehend einzustellen. Assad habe dem zugestimmt, sagte Ban Ki Moon gesten in Bulgarien.

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind bei den seit sieben Wochen anhaltenden Unruhen mehr als 600 Menschen getötet und über 8.000 verhaftet worden. SASCH