Weiter schreiten Seit’ an Seit’?

BRANDENBURG In der Koalition mit der SPD ist die Linkspartei unter die Räder gekommen. Jetzt fragt sie sich, woran das lag – und ob sie trotzdem damit weitermachen soll

Die Linke-Mitglieder müssen entscheiden, ob sie weiter mit der SPD regieren wollen

AUS BERLIN STEFAN REINECKE

Der Finanzminister von Brandenburg und Spitzenmann der Linkspartei ist nervös. Christian Görke trägt einen schwarzen Anzug, weißes Hemd und sagt: „Das Ergebnis war so nicht von Demoskopen gemessen worden.“

Das Eingeständnis eines Desasters. Denn seine Partei hat in Brandenburg im Vergleich zur Wahl von 2009 fast ein Drittel Prozentpunkte eingebüßt und, schlimmer noch, fast die Hälfte ihrer Wähler. Görke tritt auf der Bühne im Karl-Liebknecht-Haus, der Linkspartei-Zentrale in Berlin, von einem Bein aufs andere. Die meisten Journalisten interessieren sich für den eloquenten Bodo Ramelow oder für Bernd Riexinger und Katja Kipping, die Parteichefs. Görke scheint froh, nicht viel sagen zu müssen.

Für die Linkspartei im Osten aber ist das graue Wahlergebnis in Brandenburg ein Menetekel. Es zeigt: Wo die Linkspartei neben der SPD regiert, verliert sie drastisch. Erst in Schwerin, dann in Berlin, jetzt in Potsdam. „Es ist leider nicht so, dass die Erfolge uns, dem Juniorpartner, zugute kommen“, sagt Katja Kipping. Aber ist das ein Naturgesetz? Und wenn ja, ist es dann klug, weiterzuregieren?

Görke weiß auch nicht, woran es lag. Die meisten Brandenburger, sagt er, waren doch „zufrieden mit der Regierung“. Dass die SPD in Potsdam sich zu Rot-Rot bekannte, „hat nicht zur Mobilisierung beigetragen“, so Görke. War die SPD also zu verbindlich?

Ein tieferer Grund scheint zu sein, dass die Linkspartei, wo sie regiert, unter der missmutigen Müdigkeit des Souveräns leidet. Man kann als Regierungspartei, zumal als unauffällige, keine Protestwähler binden. Die Folge: 20.000 Linkswähler sind zur AfD geschwenkt. Zur AfD fallen Kipping und Ramelow ein paar gescheite Sätze ein. Kipping sagt, dass die AfD aus Marktradikalen, Konservativen, die die Normfamilie wollen, und Rechtspopulisten bestehe. Also Vorsicht mit der Faschismus-Keule! Ramelow plädiert dafür, sich die AfD-Abgeordneten in den drei Ost-Parlamenten erst mal genau anzuschauen und „nicht überheblich zu sagen: wir wissen schon alles“. Das AfD-Personal in Erfurt sei aber, so weit bekannt, recht islamophob, räumt er ein.

Was aber hat die Linkspartei falsch gemacht? Die Haltung zur Braunkohle, sagt Christian Görke, „hat uns nicht geschadet“. Die Linkspartei hatte auf Drängen der SPD der Abbaggerung eines Dorfes in der Lausitz zugestimmt. Seine Partei wird nun mit der SPD sondieren. Görke und Justizminister Helmuth Markov sitzen in der vierköpfigen Verhandlungskommission. „Wir drücken in den Sondierungen mit der SPD nicht den Preis für die CDU“, sagt Görke. Das soll selbstbewusst klingen. Aber die Minister wollen weitermachen, wenn es irgendwie geht.

Noch hat sich kein Linkspartei-Politiker gegen eine neue Koalition mit der SPD ausgesprochen. Aber an der Basis wächst der Unmut. Am Ende werden die Mitglieder entscheiden. Görke selbst hatte sich auf dem letzten Parteitag dafür eingesetzt. Doch das wird jetzt, weiß ein Linkspartei-Mann aus Potsdam, „kein Selbstläufer“.