Labyrinth für Putzmittel

Folterräume, die darauf abzielen, die Psyche des Menschen zu zerstören und keine äußerlich sichtbaren Spuren hinterlassen: Eine Keller-Architektur von Gregor Schneider im Düsseldorfer K21

VON PETER ORTMANN

Fünf Minuten sind eine lange Zeit, wenn man warten muss. Die Uhr der Aufsicht im Düsseldorfer K21 tickt auch nicht schneller als andere. Warten auf eine Ausstellung. Nicht weil es voll ist, sondern weil der Zutritt nur im Zeittakt erlaubt wird. Dann ist es soweit. Zwei ältere Herren gehen gemeinsam, weil sie darauf bestehen, obwohl eigentlich nur Einzelpersonen erwünscht sind. „Allein haben sie mehr davon“, murmelt die Aufsicht, da sind die beiden schon im Keller der Kunstsammlung verschwunden.

„Weiße Folter“ heißt die Ausstellung von Gregor Schneider (38) dort unten. Wie in den letzten zwei Jahrzehnten geht es bei ihm um Räume, diesmal soll es um menschenleere Folterkeller gehen. Die Spannung steigt, die Uhr tickt, die Aufsicht nickt. Es geht los. Die einzige Treppe runter, die Klinke gedrückt. „Ist das hier der Ausgang?“, fragt einer der beiden älteren Herren, die wohl die letzten fünf Minuten im ersten Gang verbracht haben und dem labyrinthischen Weg durch den Eingang schnell wieder entkommen wollen. Noch andere irren durch die langen Korridore und enge Zellen, die an Isolationshaft erinnern. Einige Türen lassen sich nicht öffnen, andere führen ins Leere. Die beiden Herren sind bestimmt schon an der „Camera silens“ (Schweigender Raum) gescheitert. Ein vollständig dunkler und schalldichter Raum, der aus experimentalpsychologischen Untersuchungen bekannt ist. In kürzester Zeit soll er die Sinne außer Kraft setzen und wird weltweit auch gern als Folterwerkzeug benutzt. Ihn muss man tastend durchqueren, will man den Parcours schaffen.

Der im nordrheinwestfälischen Rheydt geborene Künstler wurde mit dem künstlerischen Umbau seines Haus u r bekannt. Konnte man es anfangs nur am Standort in seiner Geburtsstadt besuchen, wanderte es 2001 zur Biennale in Venedig, ein Komplex aus 22 Zimmern, für die er neben Ruhm auch den Goldenen Löwen bekam. Schließlich wurden 100 Packstücke mit einem Gesamtgewicht von 150 Tonnen von Rheydt nach Venedig transportiert. Die Eventlogik in seiner Kunst hatte begonnen. 2005 musste er seine Installation auf der Biennale in Venedig wieder abbauen. Man machte sich Sorgen über mögliche Terroranschläge muslimischer Attentäter. Sein „Kubus“ erinnerte fatal an die Kaaba von Mekka. Offiziell wurde der Abbau mit der Verdeckung des zentralen Platzes begründet. Aber eigentlich ging es um freiwillige Zensur.

Das änderte sich auch nicht, als Hubertus Gaßner, Chef der Hamburger Kunsthalle, das 15 Meter hohe Gebilde aus schwarzen Stoffbahnen 2006 in Auftrag gab. Es wurde taktisch von immanenter Furcht getrennt und in eine große Ausstellung über das Schwarze Quadrat von Konstantin Malewitsch eingebunden. Die Eventlogik funktionierte, die Kunsthalle und Herr Gaßner erreichten außerordentlich viel mediale Aufmerksamkeit. Wieder einmal hatte der Markt die künstlerische Avantgarde im Mainstream gebannt.

Was daraus wird, ist in Düsseldorf zu sehen. Von der wunderbaren Ausgangsidee des Hauses u r sind nur noch Marginalien erkennbar, die Wirkung beschränkt sich auf Abenteuerspielplatz-Gefühle, die kunsthistorisch mit viel Überflüssigem aufgeladen werden müssen. Ein Behördengang ins Rathaus oder Arbeitsamt ist viel größere Folter, als es die Sand gestrahlte Sauberkeit von Pseudo-Isolationsräumen und die Abwesenheit von Menschen in einem Museumskeller je sein könnten.

Bis 15. Juli 2007