Einfach wegsperren geht nicht mehr

URTEIL Deutschlands höchste Richter erklären bisherigen Umgang mit Schwerkriminellen für verfassungswidrig. Die sogenannte Sicherungsverwahrung muss sich deutlich von Strafhaft unterscheiden. Neue Gesetze bis 2013

KARLSRUHE rtr/taz | Die Sicherungsverwahrung verstößt in ihrer derzeitigen Form gegen die Verfassung. In einem Grundsatzurteil entschied das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch, dass sämtliche bisher geltenden Normen mit den Freiheitsgrundrechten der Betroffenen nicht vereinbar und damit verfassungswidrig seien. Die Sicherungsverwahrung müsse sich deutlich von der Strafhaft unterscheiden, was derzeit nicht der Fall sei. Das entsprechende Gesetz müsse daher reformiert werden. Das Gericht gab dem Gesetzgeber dafür bis Juni 2013 Zeit.

Bis dahin bleiben die bisherigen Vorschriften mit Einschränkungen weiter anwendbar. „Kurz gesagt, dürfen hochgefährliche Straftäter unter engen Voraussetzungen weiter verwahrt werden, die anderen müssen freigelassen werden“, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der Verkündung in Karlsruhe. Die Vorschriften seien nicht für nichtig erklärt worden, da sonst alle in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Personen bis zu einer Neuregelung zumindest vorübergehend freigelassen werden müssten, so Voßkuhle. Dies würde dem Schutzinteresse der Bevölkerung nicht hinreichend Rechnung tragen. Derzeit sind etwa 500 Schwerkriminelle in Sicherungsverwahrung. „Bund und Länder sind jetzt gefordert, dem Abstandsgebot zwischen Strafhaft und Sicherungsverwahrung besser Rechnung zu tragen“, erklärte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und kündigte zügige Beratungen an.

Schwerpunkt SEITE 4

Meinung + Diskussion SEITE 12