Späte Rechnung für die Immobilienkrise

USA Die amerikanische Regierung verklagt die US-Immobilientochter der Deutschen Bank auf Schadenersatz in Millionenhöhe. Der Vorwurf: Lügen über Kredite, um Bürgschaften zu bekommen

Der Prozess ist das bisher größte Verfahren gegen Profiteure der Immobilienkrise

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

„Rücksichtsloses Lügen“ wirft die US-Regierung der Deutschen Bank vor. Das Geldinstitut soll mit falschen Angaben über Hypotheken staatliche Garantieleistungen in den USA ergaunert haben. Am Dienstagnachmittag hat der Anwalt der US-Regierung, Preet Bharara, in New York ein Zivilverfahren gegen die Deutsche Bank eröffnet. Dabei fordert die US-Bundesregierung eine Entschädigung von der Deutschen Bank. Denn bisher musste der amerikanische Staat bereits 386 Millionen Dollar für geplatzte Hypotheken zahlen – insgesamt könnte die Schadenssumme auf bis zu 1 Milliarde Dollar steigen.

Der Prozess gegen die Deutsche Bank ist das bislang größte Verfahren gegen einen mutmaßlichen spekulativen Nutznießer der Immobilienblase. Klagen gegen andere Finanzinstitute könnten folgen, ließ der Staatsanwalt in New York durchblicken.

Die 48-seitige Klageschrift von New York richtet sich gegen die Deutsche Bank und das von ihr aufgekaufte US-Unternehmen MortgageIT, das auf Geschäfte mit maroden Hypotheken spezialisiert war. Die Deutsche Bank hatte MortgageIT im Jahr 2007, wenige Monate vor dem Platzen der Immobilienblase in den USA, für 430 Millionen Dollar übernommen. Die Klageschrift bezeichnet MortgageIT als ein Unternehmen, das ein Jahrzehnt lang selbst „minimalste Risikoeinschätzungen und Qualitätskontrollen vernachlässigt hat“.

Während des spekulativen Booms auf dem US-Immobilienmarkt hatten die Deutsche Bank und andere Geldinstitute landesweit massiv Hypotheken an Leute vergeben, von denen klar war, dass sie nicht über genügend eigenes Kapital oder über Sicherheiten verfügten, um das Geld je zurückzuzahlen. Um sich gegen die Zahlungsunfähigkeit ihrer KreditnehmerInnen abzusichern, nahmen die Banken staatliche Garantien in Anspruch. Während sie ihr Risiko solcherart verstaatlichten, verdienten sie mit dem spekulativen Weiterverkauf der Hypotheken. Zu diesem Zweck bündelten sie die ungesicherten Hypotheken zu neuen Papieren – „Mortgage-Bonds“ – und verkauften sie auf den Geldmarkt und weltweit an InvestorInnen.

Die Vergabe von Hypotheken verlief dabei ebenso rasant wie sorglos, zeigt das Beispiel MortgageIT. Statt – wie verlangt – die Kreditwürdigkeit potenzieller HauskäuferInnen vor der Kreditvergabe zu prüfen, ließ MortgageIT „Briefe ungeöffnet und ungelesen“ in der Schublade verschwinden, so der Vorwurf der Bundesregierung, und suchte nach immer neuen KundInnen. Von 1999 bis 2009 hat MortgageIT rund 39.000 Hypotheken vergeben. 12.500 seiner KreditnehmerInnen – fast ein Drittel – sind schon lange nicht mehr zahlungsfähig. Ein Teil konnte bereits zwei Monate nach Aufnahme der Hypothek die Kredite nicht mehr zurückzahlen.

Dennoch nannte eine Sprecherin der Deutschen Bank in New York die Forderungen an MortgageIT und die Deutsche Bank „unvernünftig und unfair“. Sie erklärte, dass ihr Geldinstitut dagegen vorgehen werde, und sagte, dass „90 Prozent“ der inkriminierten Aktivitäten von MortgageIT aus der Zeit datierten, bevor die Deutsche Bank das Unternehmen gekauft habe. Allerdings erwähnte sie nicht, dass die massive Spekulation mit Hypotheken MortgageIT zu einem interessanten Aufkaufkandidaten gemacht hatte.

Die Deutsche Bank ist einer der ganz großen Akteure auf dem US-Immobilienmarkt. Die ihr aus dem Platzen der Immobilienblase entstandenen Verluste gibt sie mit 4,5 Milliarden Dollar an. Doch zugleich gelangte die Bank in der Folge der Immobilienkrise – insbesondere im vergangenen Jahr, als die Zahl der Zwangsvollstreckungen in die Höhe schnellte – durch Zwangsräumungen in den ganzen USA in den Besitz hunderttausender Häuser.

Wegen ihrer dubiosen Immobiliengeschäfte in den USA steht die Deutsche Bank nicht nur unter dem Druck des Zivilgerichtes in New York. Sie ist auch politisch ins Visier des US-Kongresses geraten. Im April hat ein Komitee des US-Senats die Bank wegen ihrer Praxis des Handels mit gebündelten, maroden Hypotheken kritisiert. Am Dienstag dieser Woche sagte US-Justizminister Eric Holder bei einem Kongress-Hearing in Washington, sein Ministerium prüfe gegenwärtig den Abschlussbericht des Senatskomitees. Und denke über etwaige Konsequenzen nach.

Die Börse in Frankfurt am Main reagierte umgehend auf die Meldungen aus den USA. Am Dienstag sackte der Kurs der Deutschen Bank um 3 Prozent ab.