agenda 2010
: Ku-Klux-Klan hinter Gardinen

Die Arbeitshandschuhe sind nagelneu. Die Holzbretter und Äste schon leicht verfault. Aber sie brennen ohne Qualm zu erzeugen. Seit Jahrzehnten gehört unser Ostersamstag dem traditionellen Osterfeuer in Unna. Essen und Trinken gegen Gartenarbeit, so hat das beim Uli irgendwann mal angefangen. Früher loderten die Flammen höher, heute sieht das Grundstück ziemlich aufgeräumt aus. Dennoch, alle sind froh, sich wenigstens einmal im Jahr zu sehen. Und es ist ein multikulturelles Fest in Urform. In diesem Jahr mit Buddhisten aus Sri Lanka und Muslime aus Marokko. Einst feierten mit uns hier auch Russen, Türken, Afrikaner, spielten auf der Wiese Fußball, steckten mit den Kindern Ulis heilige Kartoffeln an lange Äste – viele fand er zu Kohle gebacken erst Ostermontag wieder. Egal. Besonders die Kinder sind jedes Jahr verrückt nach der Maloche unter sengendem Funkenflug, halten ihre Eltern auf Trab.

Als also die letzten Easy-Jets über uns hinweg zum hoch subventionierten Dortmunder Flugplatz gedonnert waren und Flammen und Kinder endlich leise vor sich hin prasselten, diskutierten wir Allah, Buddha, Gott und die Welt, tranken je nach Glaubensrichtung Mineralwasser, Tee oder Bier. Eines wurde dabei sonnenklar: Die kleine Welt-Kulturhauptstadt wird auch 2010 wieder in Ulis Gartenhain stattfinden, ohne Ticketing, Marketing und geschütztem Logo. Es wird gelacht und gestikuliert werden. Der wilde Ortmann hält wieder seine großen Reden und Niemal und Murat werden mir ständig widersprechen – Andreas kümmert sich dann doch lieber um eine korrekte Feuersäule. Der Abend ist ein Genuss – auch wegen Rashids Schwester und deren nordafrikanischer Kochkunst. Es reicht, werden Sie nun denken, alles toll, Multikulti, wir haben verstanden. Aber!

Dreimal war auch das Ordnungsamt an diesem Tag da. Irgendwo in der Ferne, da lauert nämlich auch in Unna der deutsche Geist hinter zugezogenem Fenster. Mit Fernrohr und Telefon-Standleitung zur städtischen Ordnungsbehörde, die den diversen Verleumdungen dann immer nachgehen muss. Uli hat natürlich eine Genehmigung, Autoreifen wurden noch nie verbrannt. Auch Musik gibt es nicht. Warum scheinen wir zu stören? – Und dann erzählt Niemal aus Sri Lanka von den Baseball-Schlägern in Dortmund, als er im letzten Jahr Freunde besucht hat. Ich muss ans Melez-Festival denken. An frisch finanzierte interkulturelle Kunst- und Kulturprojekte. Mit Ticketing, Marketing und geschütztem Logo. Wo man schick im Anzug den angeblich brodelnden Multikulti-Schmelztiegel begutachtet. Glaubt tatsächlich einer, dass damit der Ku-Klux-Klan hinter deutschen Gardinen oder die Baseballschläger schwingenden Idioten im Ruhrgebiet dezimiert werden? Wohl kaum.

PETER ORTMANN