Andrea will nicht spielen

DRITTE LIGA Der schwäbische Provinzklub SG Großaspach versucht sich im Profifußball zu etablieren. Gegen Tabellenführer Dynamo Dresden aber setzt es eine 1:3-Niederlage

AUS GROSSASPACH GERALD MANDER

Die dritte Liga ist eine Liga extremer Widersprüche. Neben geschundenen Exbundesligisten wie Arminia Bielefeld, Hansa Rostock und dem MSV Duisburg ist sie auch die Heimat weitestgehend unbekannter, aber aufstrebender Vereine wie des Aufsteigers SG Sonnenhof Großaspach.

8.000 Einwohner zählt die Gemeinde 37 Kilometer nördlich von Stuttgart in der Schwäbischen Alb. Als Dynamo Dresden zum Ligaspiel anreist, sind die Weinberge, Maisfelder und Obstwiesen nebelverhangen. Auch Alpaka- und Eselfarmen sind hier zu finden. Das Maskottchen der SG ist ein Esel.

Der Verein hat am 25. August dieses Jahr erst seinen 20. Geburtstag gefeiert. Entstanden ist er 1994 als Fusion von FC Sonnenhof Kleinaspach und der Spvgg Großaspach. Der FC Sonnenhof wiederum war in den Siebzigern ursprünglich die Freizeitmannschaft des Hoteliersohns Ulrich Ferber, dessen Familie das Hotel Sonnenhof betreibt. Ferber sitzt heute immer noch im Aufsichtsrat des eingetragenen Vereins und ist gleichzeitig auch dessen Mäzen.

Mittlerweile ist er aber aufgestiegen und zum Inhaber eines ganzen Firmenkonglomerats geworden, welches neben dem Hotel unter anderem mehrere Marketing- und Consultingfirmen, ein Reiseunternehmen sowie eine Sportvermarktungsagentur umfasst. Deren wichtigster Klient ist neben Leverkusens Torwart Bernd Leno und dem ehemaligen VfB-Stuttgart-Profi Alexander Hleb ein gewisser Mario Gomez. Seit seiner Heirat mit der Schlagersängerin Andrea Berg 2007 ist Ferber Stammgast in den Klatschspalten.

„Andrea, wo bist du? Wirst du spielen?“, skandieren die etwa 4.000 Dresdener Fans, die am Samstag mitgereist sind. Andrea Berg sitzt auf der Tribüne und schaut sich die Partie mit ihrem Ehemann und Großaspach-Mäzen Uli Ferber an. Der prominente Beistand ist umsonst: Dynamo Dresden, abgestiegen aus der zweiten Liga, gewinnt 3:1 gegen den Neuling und übernimmt die Tabellenführung.

Großaspach indes gehört zu einer Gruppe vorwiegend süddeutscher Mannschaften wie dem SV Sandhausen, dem FC Heidenheim oder dem VfR Aalen, die in den letzten Jahren auf der Landkarte des Profifußballs aufgetaucht sind. Schrittweise, unaufgeregt und ohne viel Aufsehen haben sie es vor allem durch solides Wirtschaften geschafft, sich im Profifußball festzusetzen, ohne aber – wie die TSG Hoffenheim oder RB Leipzig – zum Hassobjekt für Traditionalisten zu werden.

Vergleichsweise bescheiden geht es in Großaspach zu. Vor dem Spiel gegen Dresden wirbt der schwäbische Klub auf seiner Homepage mit dem Slogan „Dynamo macht die Bude voll“. Statt wie in anderen Städten Angst vor den gefürchteten Dynamo-Fans zu verbreiten, freute sich Großaspachs Präsident Werner Benignus auf die „fantastische Kulisse, wenn sich eine gelb-schwarze Wand in der Nordgeraden des Stadions aufbaut, um ihr Team anzufeuern“. So ist es dann auch: Die Fans, die die Dresdener mitgebracht haben, bringen nicht nur bundesligareife Stimmung in die Fußballprovinz. Sie helfen, das knapp 10.000 Plätze bietende, nach dem Hauptsponsor der SG benannte Stadion, das an einem bewaldeten Hang der Fautenhauer Alb liegt, mit der neuen Rekordzahl von 7.229 Zuschauern zu füllen. Die Haupttribüne ist die Rückseite eines Almrestaurants in Blockhaus-Optik. Die Sportstätte mag offiziell Arena heißen, strahlt aber ansonsten jene Bodenständigkeit aus, die in der Gegend geschätzt wird.

Auch sportlich bleibt man in Großaspach auf dem Boden. Es geht gegen den Abstieg. Dynamo Dresden dagegen ist nach dem Abstieg aus der zweiten Liga die Mannschaft der Stunde in Liga drei. Trainer Stefan Böger hat eine fast vollkommen neue Truppe aufgebaut, die aus jungen, gut ausgebildeten Spielern besteht, die sich bei ihren Bundesligavereinen noch nicht durchsetzen konnten. Spieler wie Niklas Kreuzer, Sohn des ehemaligen Sportchef des Hamburger SV, Oliver Kreuzer, der am Samstag auf der Tribüne in Großaspach saß. Hinzu kommen alteingesessene Leistungsträger wie Christian Fiel und Benjamin Kirsten.

Obwohl Großaspach vor allem in der ersten Halbzeit die besseren Chancen hat, bleibt diese Mischung das Dresdner Erfolgsrezept – auch in diesem Spiel. Justin Eilers erzielt in der 26. Minute sein bislang siebtes Tor der laufenden Saison. Diese Führung egalisiert Claudio Rizzi zehn Minuten später für Großaspach mit einem schönen Distanzschuss. Aber in der zweiten Hälfte reißen die Dresdner das Spiel an sich. Nach einem Konter erzielt Sylvano Comvalius in der 63. Minute die abermalige Führung für Dynamo. In der Nachspielzeit trifft Eilers dann noch einmal zum 1:3-Endstand.

Weil gleichzeitig die Stuttgarter Kickers verlieren, ist Dynamo Dresden jetzt Tabellenführer der dritten Liga mit Ambitionen auf den Wiederaufstieg, Doppeltorschütze Eilers hat die Spitze der Torjägerliste übernommen. Die SG Sonnenhof Großaspach hat Sympathiepunkte gewonnen und kämpft erwartungsgemäß um den Klassenerhalt in der Liga der Extreme. Schon am Dienstag kommt der nächste Traditionsklub in die schwäbische Provinz: Dann empfängt die SG in Großaspach Energie Cottbus.