Applaus für Obama

USA Begeisterung in den Straßen, bei Politikern, und selbst die Medien loben den Präsidenten. Demokraten schöpfen Hoffnung

„Es ist ungewöhnlich, einen Tod zu feiern, aber heute bejubeln Amerikaner die Nachricht, dass Osama bin Laden tot ist. Willkommen in der Hölle!“

MIKE HUCKABEE, REPUBLIKANER

VON BERND PICKERT

Es war der Auftritt, den George W. Bush so gern gehabt hätte. Als US-Präsident Barack Obama am späten Sonntagabend Washingtoner Zeit im Ostflügel des Weißen Hauses zu einer kurzfristig anberaumten Ansprache vor die Fernsehkameras trat, war ihm anzumerken, wie gern er die gute Nachricht verkündete. „Heute Abend kann ich dem amerikanischem Volk und der Welt mitteilen, dass die USA eine Operation unternommen haben, bei der Osama bin Laden, der Führer von al-Qaida und ein Terrorist, der verantwortlich ist für den Mord an Tausenden unschuldigen Männern, Frauen und Kindern, getötet wurde“, begann Obama seine knapp zehnminütige Ansprache.

Der Präsident erinnerte an die Opfer der Anschläge vom 11. September 2001 in New York und Washington, an die Wunden, die die Angriffe im kollektiven Bewusstsein der USA hinterlassen hatten, und an die große nationale Einigkeit, die nach den Anschlägen in den Vereinigten Staaten möglich wurde. „Egal, wo wir herkamen, zu welchem Gott wir beteten oder welcher Rasse oder Ethnie wir angehörten – an diesem Tag waren wir vereint als eine einzige amerikanische Familie. Wir waren vereint in der Entschlossenheit, unsere Nation zu beschützen – und diejenigen, die diesen teuflischen Angriff verübt hatten, zur Rechenschaft zu ziehen.“

Obama lässt keinen Zweifel daran, wem das Verdienst gebührt, bin Laden gefunden zu haben: „Kurz nach meiner Amtsübernahme hatte ich CIA-Direktor Leon Panetta angewiesen, die Tötung oder Ergreifung bin Ladens zur Toppriorität unseres Krieges gegen al-Qaida zu machen. Schließlich wurde mir im vergangenen August, nach jahrelanger mühsamer Arbeit unserer Geheimdienste, mitgeteilt, dass es eine mögliche Spur zu bin Laden gebe. Von da an dauerte es noch Monate, diesen Faden aufzuwickeln. […] Schließlich entschied ich vergangene Woche, dass wir genug Informationen hatten, um zur Tat zu schreiten, und genehmigte eine Operation mit dem Ziel, bin Laden zu fassen und zur Rechenschaft zu ziehen.

Nach meiner Anweisung haben die USA heute eine gezielte Operation gegen ein Wohnviertel in Abbottabad, Pakistan, unternommen. Ein kleines Team Amerikaner hat die Aktion mit außergewöhnlichem Mut und Können ausgeführt. Es wurden keine Amerikaner verletzt, zivile Opfer wurden vermieden. Nach einem Schusswechsel töteten sie bin Laden und sicherten seine Leiche.“

Es mag Länder geben, in denen das fast schon offizielle Eingeständnis, einen offenbar überwältigten Mann „nach“ einem Schusswechsel getötet zu haben, zu Aufregung führt, zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, wenigstens zu einem Skandal. In den USA hingegen waren bereits Minuten nach Obamas Ansprache die Menschen auf der Straße und feierten unter „USA! USA!“-Rufen den Sieg über den Erzfeind. Vor dem Weißen Haus in Washington, wo sich zuletzt nach Obamas Wahlsieg im November 2008 spontan nachts Menschen versammelt hatten, drängten sich Hunderte, um die Nachricht vom Tod bin Ladens zu feiern. In New York verstopften Feiernde die Straßen rund um den Times Square und das Gelände von „Ground Zero“ – dem ehemaligen Standort der Zwillingstürme des eingestürzten World Trade Centers.

Auch auf der politischen Ebene erfuhr die Regierung Obama an diesem Abend nichts als Lob – von allen Seiten des politischen Spektrums. Vorgänger George W. Bush gratulierte Obama und sagte: „Der Kampf gegen den Terror geht weiter, aber heute Abend hat Amerika die unmissverständliche Nachricht gesendet: Egal, wie lange es dauert, der Gerechtigkeit wird genüge getan werden.“

Auch die republikanischen Präsidentschaftsanwärter beeilten sich, mit kämpferischen oder staatstragenden Zitaten in die Nachrichten zu kommen. Mike Huckabee, ehemaliger Gouverneur von Arkansas und vermutlich einer der Herausforderer, sagte: „Es ist ungewöhnlich, einen Tod zu feiern, aber heute bejubeln Amerikaner und anständige Menschen auf der Welt die Nachricht, dass der Verrückte, Mörder und Terrorist Osama bin Laden tot ist. Willkommen in der Hölle!“ Kandidat Tim Pawlenty, Exgouverneur von Minnesota, ließ verlauten: „Stunden nach den Anschlägen vom 11. September versprach Präsident Bush, dass Amerika Osama bin Laden zur Verantwortung ziehen würde – das haben wir getan. Ich möchte Amerikas Streitkräften und Präsident Obama für einen guten Job gratulieren.“

Die frühere Gouverneurin Alaskas und Tea-Party-Liebling Sarah Palin schrieb auf Facebook: „Heute Nacht sind die Amerikaner in Freude und Dankbarkeit vereint. Gott segne all die tapferen Männer und Frauen in unserem Militär und unseren Geheimdiensten.“ Den Namen Obama erwähnte Palin nicht.

Auch in den Medien: Einheitliches Lob für Obama. Schon freuen sich demokratische Optimisten, mit dieser Nachricht habe sich der in heftige innenpolitische Auseinandersetzungen mit der republikanischen Opposition verwickelte Präsident die Wiederwahl im nächsten Jahr gesichert. Doch die meisten Analysten raten zur Vorsicht: Zwar habe Obama mit dieser Nachricht erstmals wirklich Stärke als außenpolitischer Führer und Oberkommandierender gezeigt. Damit werde es den Republikanern künftig schwerer fallen, ihm Schwäche und Orientierungslosigkeit vorzuwerfen. Das zentrale Thema der kommenden Wahlen jedoch werde die Wirtschaftspolitik bleiben. Und wie lange der Sieg gegen bin Laden gefeiert werden könne, hinge nicht zuletzt an möglichen Gegenschlägen al-Qaidas.