Misurata erneut unter Beschuss

LIBYEN Rebellen befürchten Einsatz von Chemiewaffen. Regime „bedauert“ Angriffe auf Botschaften. Französischer Arzt untersucht Leichen der Opfer des Nato-Angriffs

Die UNO zieht ihr ausländisches Personal aus Tripolis ab

TRIPOLIS dapd/afp | Truppen des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi haben am Montag die Rebellenhochburg Misurata mit Panzern und Granaten angegriffen. Der Beschuss habe am frühen Morgen begonnen, nachdem Gaddafi-Truppen ihre Panzer zu den westlichen Toren der Hafenstadt gebracht hätten, sagte der Aktivist Rida al-Montasser. Der Beschuss sei erst eingestellt worden, als vorbeifliegende Nato-Flugzeuge zu hören gewesen seien.

Unterdessen wurde in Misurata, der einzigen Bastion der Rebellen im Westen Libyens, befürchtet, Gaddafis Streitkräfte bereiteten sich auf den Einsatz chemischer Waffen vor. Man habe gehört, dass die Soldaten Gaddafis in der nahegelegenen Stadt Slitan Gasmasken verteilt hätten, sagte al-Montasser. Die Rebellen hätten ihren Übergangsrat in Bengasi aufgefordert, Gasmasken nach Misurata zu schicken.

Die Regierung erklärte unterdessen ihr Bedauern über die Angriffe auf ausländische Vertretungen in Tripolis. Bei einer Pressekonferenz am Sonntagabend sprach Vizeaußenminister Chaled Kaim von einem „bedauerlichen Vorfall“. Er versicherte, Libyen werde die Reparaturarbeiten übernehmen. Zu den Angriffen auf die Auslandsvertretungen in Tripolis konnte es laut Kaim kommen, weil die Polizei mit dem Andrang der Massen überfordert war. Die Angriffe ereigneten sich, nachdem die Tötung eines Sohnes von Machthaber Gaddafi, Saif al-Arab Gaddafi, bei einem Angriff der Nato verkündet worden war.

Eine Korrespondentin hatte am Sonntagmorgen in der libyschen Hauptstadt Demonstranten beobachtet, die das Gebäude der italienischen Botschaft sowie die Residenzen der Botschafter von Italien und Großbritannien anzündeten. Das italienische Außenministerium verurteilte „Akte des Vandalismus“, die am Sonntagmorgen gegen die italienische Botschaft und andere Vertretungen verübt worden seien.

Der britische Außenminister William Hague bestätigte am Sonntag die Angriffe und wies den libyschen Botschafter aus Großbritannien aus. Die Türkei schloss ihre Botschaft in Tripolis und evakuierte ihre Mitarbeiter. Zuvor hatte bereits die UNO ihr ausländisches Personal aus der libyschen Hauptstadt abgezogen.

Die libysche Regierung veröffentlichte am Montag auch die Namen sowie das Alter der drei Enkelkinder von Machthaber Muammar al-Gaddafi, die nach Angaben des Regimes bei dem Nato-Raketenangriff getötet wurden. Dabei handele es sich um die zweijährige Carthage, die Tochter von Gaddafis Sohn Hannibal; die sechs Monate alte Mastura, Tochter von Gaddafis Tochter Aisha; sowie den 15 Monate alten Saif Mohammed, Sohn von Gaddafis Sohn Mohammed.

Der französische Arzt Dr. Gerard Le Clouerec berichtete, dass er am Sonntag die Leichen eines Erwachsenen sowie zweier Kinder im Green Hospital in Tripolis untersucht habe. Das Gesicht des Erwachsenen sei unversehrt gewesen und sei „im Vergleich mit dem Foto, das wir gesehen haben, höchstwahrscheinlich der Sohn Gaddafis“, sagte der Chirurg, der in der Hauptstadt eine Privatklinik betreibt.