Unnötig stark

BASKETBALL-WM Team USA, zumeist mit jungen Spielern besetzt, straft seine Kritiker Lügen

BARCELONA taz | Die Stars aus Amerika ziehen weiter nach Madrid zum Finale, und zurück bleibt eine gewisse Enttäuschung. Nicht ein Mal konnten sie Barcelonas Palau Sant Jordi komplett füllen, nicht ein Mal für wirklich großes Spektakel sorgen. Ihre Schuld ist das nicht, es gilt ja als ausgemacht, dass die legendären Auftritte des Dream Team in derselben Stadt bei Olympia 1992 nie mehr zur Wiederaufführung gelangen werden. Aber wo schon der Glamour fehlt, hätten sich die Fans zumindest das erhofft, was den Sport ja noch wesentlicher auszeichnet: Spannung.

Doch dafür waren die US-Basketballer bei dieser WM auch im Halbfinale gegen Litauen zu gut. 96:68 besiegten sie den EM-Finalisten vom Vorjahr, wie im Viertelfinale die Slowenen erledigten sie ihn schon mit einem gnadenlosen Zwischenspurt im dritten Viertel (33:14). „Wenn du nur eine Minute abschaltest, walzen sie dich nieder“, sagte Litauens Trainer Jonas Kazlauskas. Sein Gegenüber Mike Krzyzewski kann derweil permanent rotieren und hat trotzdem immer Extraklasse auf dem Parkett; auch ohne etliche Spieler der ersten NBA-Garde wie Lebron James oder Kevin Durant.

Die Botschaft dieser WM weht angesichts des sehr jungen Teams (24 Jahre Altersdurchschnitt) umso kräftiger durch die Basketball-Welt: Mehr denn je ist es Amerikas Spiel. Mit 32,5 Punkten Vorsprung im Schnitt wurden die acht Partien gewonnen. Die Einschätzung von Krzyzewski, „wir sind schlagbar“, mag nach dem Ausscheiden von Gastgeber Spanien niemand mehr so recht teilen.

„Coach K“ bemühte sich zwar auch nach dem Litauen-Spiel um eine bescheidene Lesart: „Viel Gegenwind“ habe sein Team überstehen müssen, eine frühe Foulbelastung „und ohne den Faktor Clay Thompson hätten wir zur Pause vielleicht nicht geführt“. Schon nach dem Viertelfinale hatte er erklärt: „Wir sind keine internationale Supermacht, die Mannschaft ist jung, und es ist schwer, jung zu gewinnen.“ All diese Einschränkungen und Konjunktive machen die Demütigungen für die Gegner nur noch umso frustrierender.

„Man muss befürchten, dass die Lücke zwischen den USA und den Verfolgern wieder größer geworden ist“, kommentiert Amerikas Sportsender ESPN und fügt hinzu: „Das will wohl niemand sehen.“ Da Spanien und Argentinien, zwei der härtesten Gegner der letzten Jahre, vor Umbrüchen stehen, sei bei den nächsten Olympischen Spielen in Rio mit noch weniger Gegenwehr zu rechnen. Derweil nennt das führende US-Magazin Sports Illustrated die Darbietungen der NBA-Stars eine „unnötige Show der Stärke. Wo ist der Spaß, einem Basketballspiel zuzusehen, das mit einer 30-Punkte-Packung endet? Darin, dass es auch 40 werden könnten?“ Amerika solle wie früher nur noch Collegeteams zur WM schicken.

Das klingt verdächtig nach dem Hochmut, mit dem die USA zwischen 2002 und 2006 zwei Weltmeisterschaften und ein Olympiaturnier vermasselten. Als Reaktion darauf professionalisierten die Verantwortlichen damals das Programm von „USA Basketball“. Die Delegation in Spanien besteht aus über 97 Mitarbeitern (inklusive Spieler) – nicht ansatzweise erreichbare Zustände für die Konkurrenz –, die Amerika auch nicht mehr überraschen kann, weil Krzyzewski, seinerseits ein brillanter Coach, mit dem litauischen Exprofi Arturas Karnisovas einen hochqualifizierten Scout zur Gegnerbeobachtung unterhält. Das System hat keine Schwächen mehr – und die besten Spieler sowieso.

Hinter allen Floskeln der Demut fühlt sich das im Vorfeld als B-Truppe eingestufte US-Team denn auch selbstbewusst genug, das überraschende Aus von Spanien als verpasste Chance zur Machtdemonstration zu betrachten. „Ich habe versucht, mir bei dem Thema auf die Zunge zu beißen“, sagte Turnierentdeckung Kenneth Faried, und lüftete sogleich den Maulkorb: „Wir haben hier immer unseren Job gemacht, und ihr habt immer gesagt: ,Ah, ihr werdet Spanien nicht schlagen‘. Kommt wieder zu mir, wenn es Spanien mal in ein Finale schafft!“ FLORIAN HAUPT