FUP HAT DURST
: Die Welt geht unter

Einer, der professionell im Weg herumsteht und denkt, na los, sprich mich doch an

„Wasser!“, ruft Fup, und immer wenn er das ruft, habe ich den Eindruck, als ob er in zwanzig Sekunden verdurstet ist, wenn er nicht in der knapp bemessenen Zeitspanne Wasser bekommt. Manchmal ruft er das auch mitten in der Nacht. Es hört sich immer an, als ob mindestens die Welt untergeht. Wasser ist aber alle. Nicht das Wasser an sich natürlich, aber das in Flaschen abgefüllte Mineralwasser.

Ich schnalle den leeren Wasserkasten auf den Fahrradgepäckträger und transportiere ihn zu Getränke Hoffmann. An einer engen Stelle des ansonsten breiten Bürgersteigs der mit Gartenmöbeln von Restaurants und mit Bierkastentürmen vollgestellten Dieffenbachstraße steht breitbeinig ein junger Mann, und ich denke, während ich mich an ihm vorbeiquetsche: Steht mal wieder ein Tourist dumm im Weg rum. Das geht bei mir ganz automatisch, weil sich die zahlreichen Touristen mit Vorliebe an genau solchen Stellen verabreden, um längere Palaver abzuhalten und Anwohner wie mich daran zu hindern, zügig ihre Besorgungen zu erledigen.

Als ich mit dem vollen Wasserkasten wieder zurückkomme, steht der junge Mann immer noch breitbeinig da. Er trägt ein schwarzes T-Shirt und Jeans und schwankt ein bisschen. Er hat aber kein Bier in der Hand. Stattdessen isst er Chips. Er sieht etwas ungepflegt aus, und ich denke: Doch kein Tourist, sondern einer, der professionell im Weg herumsteht und der denkt, na los, sprich mich doch an, wenn ich dir im Weg bin, du Wichser. Aber niemand will der Wichser sein. Alle sind stumm und gehen um ihn herum, sogar die Bierkästenschlepper, die die Bierkastentürme abtragen. Zurück in der Wohnung, ist Fup nicht verdurstet. Aber er deliriert. Er fragt: „Papa, wenn die Welt untergeht, geht das Meer dann auch unter?“ „Jedenfalls gibt es dann auch nichts mehr zu trinken“, sage ich und gebe ihm eine Flasche Wasser.

KLAUS BITTERMANN