Tausende Obdachlose nach Tsunami

Nur langsam erreicht die Hilfe die abgelegenen Gebiete der Salomonen-Inseln im Südpazifik. 28 Tote wurden von den Behörden bislang bestätigt, vermutlich liegen die Zahlen weit höher. Gestern erschütterten mehr als 30 Nachbeben die Region

AUS SYDNEY URS WÄLTERLIN

Das Katastrophengebiet im Westen der Salomonen-Inseln wurde gestern von mindestens 30 weiteren, zum Teil heftigen Nachbeben erschüttert. Die Erdstöße folgten dem Seebeben der Stärke 8,1, das am Vortag einen Tsunami ausgelöste hatte. Die bis zu 10 Meter hohe Flutwelle hatte weite Teile der westlichen Provinzhauptstadt Gizo und 13 Dörfer zerstört.

Bis gestern wurden von offiziellen Stellen 28 Todesopfer bestätigt. Allerdings würden „viele weitere vermisst“, so die lokale Polizei. Wie Peter Marshall, stellvertretender Polizeichef der Salomonen, meinte, fürchte er einen Anstieg der Opferzahlen, „wenn wir es in die zerstörten Gebiete schaffen“. Die Regierung hatte noch am Montag den Notstand ausgerufen.

In Gizo und Umgebung wurden über 900 Häuser komplett zerstört. Die Stadt ist auf einem ehemaligen Mangrovensumpf gebaut und liegt nur etwa 45 Zentimeter über dem Meeresspiegel. Nach Angaben des Vorsitzenden des Nationalen Katastrophenrates der Salomonen, Fred Fakari, sind tausende Bewohner obdachlos. Viele seien ins Hinterland geflohen und trauten sich nicht zurück. Wegen der isolierten Lage gelang es ersten Rettungsteams erst im Verlauf des gestrigen Tages, das Katastrophengebiet mit Flugzeugen und Booten zu erreichen.

Sie brachten Zelte und Wasser. Weitere Hilfsgüter sind unterwegs. Auch die australische Armee, die in den von ethnischen Konflikten heimgesuchten Salomonen-Inseln mit 300 Soldaten den Frieden sichert, ist eingesetzt worden. Australien hat rund 1,5 Millionen Euro Soforthilfe zugesagt, Neuseeland rund eine halbe Million. Wellington hat ein Flugzeug der Luftwaffe mit Wasser, Planen, Decken und Nahrungsmitteln ins Notstandsgebiet entsandt. Die Vereinten Nationen haben ein Katastrophenhilfeteam zur Verfügung gestellt.

Vereinzelt drangen gestern erste Berichte aus dem Katastrophengebiet an die Öffentlichkeit. Unter den Toten war auch ein Gefängniswärter aus Neuseeland, der erstmals nach 18 Jahren seine alten Eltern in Gizo besucht hatte. „Er wollte meine Großmutter retten, zusammen mit seinem Bruder. Dann kam eine zweite Welle und sie sind ertrunken“, berichtete seine Tochter Juliet Toma im neuseeländischen Rundfunk.

Auf der Insel Simbo waren ein Bischof und drei Gläubige während einer Messe von der Welle überrascht und getötet worden. Mehr Glück hatte Patrick Purcell, der seit 22 Jahren auf den Salomonen lebt. Neunzig Prozent seines Dorfes seien zerstört worden, als eine „Wand von Wasser durch die Häuser gedonnert“ sei, so der 54-jährige Kanadier. „Ich glaube nicht, dass es je so eine Naturkatastrophe gegeben hat auf der Insel“, so Purcell. „Es war absolut furchterregend, man hatte keinerlei Vorwarnung.“ Im Dorf habe er ein Bild des Grauens gesehen. Häuser seien in den Fluten getrieben, „vor- und rückwärts im Wellengang“. Dazwischen seien Männer, Frauen und Kinder geschwommen. Seither hätten rund 150 obdachlose Menschen in seinem Garten ein Flüchtlingslager aufgeschlagen, die sich eine Toilette teilten.