Bahn will leiser fahren

Lärm durch Güterzüge soll bis 2020 halbiert werden. Bahnchef fordert allerdings Geld vom Bund für Umrüstung

BERLIN taz ■ Die Güterzüge der Deutschen Bahn sollen leiser werden. Dafür will die Bahn so schnell wie möglich alle Waggons mit der so genannten „Flüsterbremse“ ausrüsten. „Bis 2020 wollen wir den Güterverkehrslärm halbieren“, sagte Bahnchef Hartmut Mehdorn gestern im Binger Hauptbahnhof.

Dort nahm er gemeinsam mit Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) an einem Lärmexperiment teil: Ein Güterzug, der zur einen Hälfte mit neuen Flüsterbremsen und zur anderen mit herkömmlichen Bremsen ausgestattet war, fuhr mehrmals an Mehdorn vorbei durch den Hauptbahnhof. Der Unterschied ist hörbar: Die Güterwaggons mit Flüsterbremsen waren nur halb so laut. Das zeigten Messungen.

Flüsterbremsen mindern den Lärm – anders als der Name vorgibt – nicht nur beim Bremsen, sondern auch beim Fahren: Eine spezielle Technik verhindert das Aufrauen der Räder beim Bremsen. Je glatter die Räder dann sind, desto leiser rollen sie.

Jeder fünfte Deutsche ist nach Angaben der Bahn vom Güterverkehrslärm betroffen. Am schlimmsten ist die Lage an Europas meistfrequentierter Strecke im Rheintal, wo auch Bingen liegt. Doch trotz der Lärmminderung sind bisher nur wenige Waggons mit der neuen Technik ausgestattet: Bei der Bahn sind es rund 3.000. Insgesamt rollen 135.000 Güterwagen über das deutsche Streckennetz. Jeder dritte davon gehört nicht der Deutschen Bahn.

Zwar werden alle neuen Waggons serienmäßig mit der Flüsterbremse ausgeliefert. Das Problem ist jedoch, den Altbestand umzurüsten – zu Kosten von 4.500 Euro pro Waggon. Die „Allianz pro Schiene“ fordert daher die Unterstützung der Bundesregierung. „Wer die Bevölkerung wirksam vor Krach schützen will, kommt an einer staatlichen Finanzierung der Flüsterbremse nicht vorbei“, sagte Geschäftsführer Dirk Flege. Auch Bahnchef Mehdorn fordert, dass „Politik und Bahn an einem Strang ziehen“. Dafür solle der Bund sein Lärmsanierungsprogramm für die Umrüstung von Güterwagen öffnen.

Bislang werden vor allem die Symptome und nicht die Ursachen des Lärms bekämpft: Staatliche Förderung gibt es zwar für Lärmschutzwände und -fenster, aber nicht für Flüsterbremsen. Ob sich daran bald etwas ändern wird, ist noch nicht klar. Verkehrsminister Tiefensee zeigte sich in Bingen zwar beeindruckt von der Lärmminderung. Konkrete Zusagen wollte er jedoch nicht machen. NIKOLAI FICHTNER