Dubidu, ich wär so gern wie duhuhu

Dem chinesischen Künstler Chi Peng gelingt mit seiner Fotoserie „Journey to the West“ bei Alexander Ochs ein großformatiges Mythos-Remake

Jeder Chinese kennt von Kindesbeinen an den Mythos vom aufmüpfigen Affenkönig Sun Wukong. Der junge chinesische Künstler Chi Peng nimmt in seiner Digitalfotoserie „Journey to the West“ die Gestalt des listigen Fabelwesens an, um seine Kindheit Revue passieren zu lassen. Chi Peng hat mit Mitte zwanzig den Sprung in die internationale Bekanntheit bereits geschafft. Nach dem Abschluss seines Studiums an der Zentralen Akademie für bildende Kunst in Peking vergleicht er den dortigen Betrieb mit einem Teich quakender Frösche, die sich im Hochsprung üben. Chi Peng sucht nach einer anderen Art von Profilierung. In seinen Arbeiten geht es um hochpersönliche Themen: Gender Trouble und Homosexualität. Bereits in früheren Bildfolgen trat er als Ich-Erzähler auf und rannte, zum Klon multipliziert, zunächst durch Peking, später auch durch westliche Städte.

Die zwölf Fotografien umfassende Serie „Journey to the West“ nun bewertet der Künstler als sein bislang wichtigstes Projekt – auch wenn die Kollegen in Peking da nicht unbedingt seiner Meinung sind, wie er im Gespräch andeutet. Erst kurz vor der Eröffnung bei Alexander Ochs sind die teils riesigen Formate fertig geworden. Beim Vernissage-Rundgang merkte man Chi Peng an, wie nah ihm die Arbeiten noch sind.

Die klassische Erzählung vom Affenkönig Sun Wukong wurde durch den Schriftsteller Wu Cheng’en bereits im 16. Jahrhundert über die Grenzen Chinas hinaus bekannt. Der Gelehrte Wu Cheng’en war ein höchst eigenwilliger Kauz, der sowohl das Reiseverbot des Kaisers, die lebensgefährlichen Strapazen als auch die Todesdrohungen von Banditen ignorierte und starrsinnig seinem Reiseziel Indien entgegensteuerte. Religiöse Erscheinungen und Träume bestärkten ihn in seiner Mission, das lückenhafte chinesische Wissen über die Lehren des Buddhismus zu erweitern. Seine Geschichte schrieb er in überhöhter und fantastisch gewendeter Form in die mythische Figur des Affenkönigs ein.

In den Achtzigerjahren adaptierte nicht nur eine sehr beliebte chinesische Fernsehserie die Story; auch im Bereich der Manga- und Anime-Spiele fand der Affenkönig eine neue Bühne. In diesen Versionen ist die Tiergestalt, deren Gabe es ist, sich in 72 verschiedene Wesen zu verwandeln, Teil vieler chinesischer Kindheiten geworden.

Und Chi Peng lässt sie jetzt eben in seiner „Journey to the West“ wieder aufleben. „Ich bin kein Wissenschaftlicher, sondern Künstler. Mir geht es nicht um die historische Überlieferung. Auch der Mythos des Affenkönigs an sich interessiert mich nicht. Im Zentrum meiner ‚Journey to the West‘ stehen meine Kindheitserinnerungen, und in denen spielt die fantastische Figur des Affenkönigs eine wichtige Rolle.“ Und er schlüpft in dessen Haut, borgt sich Zauberkraft und Wagemut, um seine Kindheit noch einmal zu durchleben.

Für sein Alter-Ego-Kostüm suchte Chi Peng nach edel glänzenden Stoffen, inspiriert von Darstellungen in Büchern und Filmen. In leuchtendem Rot und Gold, mit einem aufwendigen Federkopfschmuck und einer Gesichtsbemalung, die an die Masken der Pekingoper denken lässt, treffen wir ihn nun zum Beispiel in eine Ecke gekauert auf seinem ehemaligen Schulhof. Oder gefangen in einem Knoten von Wolkenkratzern. Auf zwei Bildern problematisiert Chi Peng direkt die Auseinandersetzung mit seinem Vater. Auf dem einen kämpft er im Körper von gleich zwei Affenkönigen auf einem verschneiten Hausdach gegen sich selbst. Der Vater aber steht mit dem Rücken zu den Fantasiegefechten des Sohnes und wirft mit verächtlicher Geste die Seiten eines Buches in die Luft.

Nach konfuzianischer Vorstellung ist die Auflehnung gegen die Eltern tabu – dieses Tabu hält sich auch in der heutigen chinesischen Gesellschaft. Im Gespräch betont auch Chi Peng auffällig oft die Liebe zu seinen Eltern. Seine Bilder hingegen sprechen eine andere Sprache. Seine Kunst visualisiert, was zu sagen unbotmäßig ist. ULRIKE MÜNTER

Bis 21. April, Galerie Alexander Ochs, Sophienstr. 21, Di.–Fr. 10–13 und 14–18 Uhr, Sa. 11–18 Uhr