Das Trikot spannt

Keine Aufregung ohne Leberwurst: Eben noch im Secondhandladen, jetzt schon in der Soap. Ein Porträt über Ralf, den schweinischen Helden der Schmusetiersoap „Humana. Ein Leben in Berlin“

VON LENA KATHARINA HACH

Eine massentaugliche Diddlmaus hat von denen, die sich an diesem Abend zur Schmusetiersoap „Humana. Ein Leben in Berlin.“ in der Galerie ZeitZone in Kreuzberg einfinden, wohl keiner zu Hause sitzen. Hier mag man Outlaws und schräge Gestalten. Typen wie Ralf. Ralf ist ein 30 cm kleines Schwein mit Stummelbeinen, die in einer knappen blauen Unterhose stecken. Dazu trägt er ein rotes Shirt samt goldenem Gürtel. Dass das Supermannkostüm spannt, liegt daran, dass Ralf ein bequemer Zeitgenosse mit Vorliebe für Pfälzer Leberwurst ist. Wie wird so einer zum Star einer Soap? Entdeckt und für nur einen Euro erstanden wurde Ralf 2002 in einer Humana-Filiale von dem Theaterwissenschaftler Andreas Walter. Eigentlich wollte er nur einen Sack Stofftiere kaufen, um sie in Boyband-Manier bei einem Auftritt seines Schlagerchores Liedertafel Bianca Castafiore auf die Bühne zu werfen. Doch der treue Blick des Schweins hatte es ihm angetan. Seitdem ziehen Andreas Walter und Kollegin Ulrike Dittrich mit einem als Bühne dienenden Umzugskarton und Taschen voller ausrangierter Kuscheltiere durch wechselnde Spielorte in der Stadt. Immerhin 40 mehr oder weniger obskure Plüschgestalten gehören zum Ensemble. Im Mittelpunkt steht das Schwein, das laut seinem Erfinder ein typisches mittelständisches Kind der 80er ist: „Ralf ist jemand, der nie kämpfen musste, der auch keine eigenen Ideen hatte, für die es sich zu kämpfen lohnt.“

In Folge 37 aber rettet Ralf zumindest im Traum Berlin vor einem terroristischen Anschlag. Drahtzieher ist die Lach-und-Sachgeschichten-Maus; sie will sich dafür rächen, dass sie ins Kinderprogramm verbannt ist. Dank Ralf geht nur ein kleiner Sprengsatz an der Außenfassade des Hauptbahnhofs in die Luft. Meistens handelt die Soap aber von Alltäglichem, etwa dem Kita-Weihnachtsfest von Ralfs Stieftochter, einem wunderbar wonneproppigen Marienkäfer. Es ist eine besondere Patchworkfamilie: Ralfs Frau ist die Biene Maike, der Vater ein Kunstlederanzug tragender Bär in der Midlifecrisis, die Mutter eine besorgte Häsin, „die erst durch eine Ganzkörperrasur ihr charakteristisch ängstlich-verhärmtes Aussehen bekam“, so Andreas Walter.

Meist passen Rolle und Kuscheltier gut zusammen. So etwa bei der depressiven Petra, einer Hündin mit leidenden Augen und hängenden Ohren, die gern weniger Zeit mit sich selbst verbringen möchte. Je mehr sie jammert, desto entzückter ist das Publikum, das sich mit Bier und Zigaretten auf Holzbänken eingerichtet hat. Es wird so voll in der Galerie, dass einige der 60 Zuschauer stehen müssen.

Alles ist ein wenig improvisiert; da fällt auch mal einer der Schauspieler von seinem Haken. Die Semiprofessionalität ist laut Andreas Walter sowohl finanziell bedingt als auch gewollt: „Dass bei uns immer wieder was schief geht, passt zur Alltagsthematik der Soap und macht die Tiere noch menschlicher.“

Für jede Szene gibt es ein eigenes Bühnenbild, das aus liebevoll ausgewählten Dias von Berliner Straßen und Cafés besteht. Die Aufnahmen sind in ihrer Schlichtheit rührend ehrlich und rufen zugleich Belustigung hervor. Die meisten der Lacher entstehen durch den Wiedererkennungswert des Gezeigten. So findet man eine Spur von sich und seinen Mitmenschen in den überdrehten Dialogen wieder. Das ist es auch, meint der Erfinder, was Ralf liebenswert macht: „Seine Schwächen kann man belächeln und sich an eigene Unwägbarkeiten erinnern.“

Das Zeitgeschehen wird ebenfalls karikiert, etwa die Generation Praktikum. Kevin, ein grell-grünes Wesen, das keiner Tierart eindeutig zuzuordnen ist, macht beispielsweise gerade ein Schnupperpraktikum bei Burger King und bleibt dabei überraschend unverzagt.

Manchmal wird es allerdings beinahe zu banal. Nicht jedes der oft abstrusen Gespräche, die man in der Bahn belauschen kann, will man noch einmal hören; zumindest bringt es keine neuen Erkenntnisse. Aber das gehört wohl zum Wesen des Formates Soap und ist auch mit Kuscheltieren nicht anders.

Wer seinem eigenen Liebling aus Plüsch einen Gastauftritt in einer der 30-minütigen Folgen ermöglichen will, bringt ihn mit zum Kuscheltiercasting. Er sollte über 15 cm groß sein und eine charismatische Ausstrahlung besitzen; eben genau wie Ralf.

Folge 38: „In der Sache Heike gegen Maike“, Premiere: 30. 3., 21 Uhr in Staccato’s Bistro, Brunnenstr. 164, 22 Uhr Schmusetiercasting. Wieder am 31. 3., 21 Uhr in der ZeitZone, Adalbertstr. 82