ENERGYDRINK-VERKOSTUNG IN DER TAZ-LOKALREDAKTION
: Ein Wurstgeschmack, der Flügel verleiht

VON HEINRICH DUBEL

Ausgehen und Rumstehen ist für einen Rollstuhlfahrer schwierig. „Rumstehen“ lässt sich zwar im Rollstuhl sitzend. Aus- bzw. rumgehen ist nicht so einfach. Man ist allerdings nicht gezwungen, nix zu erleben. Es gibt Annina Zamanis „Rock-’n’-Rolli-Partys“ für Rollstuhlfahrer, Blinde und sonst wie Gehandicapte (selbstverständlich auch für deren „normale“ Freunde. Die nächste Party ist am 20. September (siehe grosserwagen.com).

Doch möchte ich von einer außerordentlichen Veranstaltung in der taz.plan-Redaktion berichten. Am Spätnachmittag mache ich mich auf den Weg. Prompt gibt es was Ungewöhnliches zu sehen. Auf der Grünstraßenbrücke hievt ein Autokran einen kleinen Kutter aus dem Wasser, wie man ihn vom Fischfang kennt, nur eben in winzig. So was ist naturgemäß für einen Augenblick interessant, also erst mal stehen bleiben und glotzen, doch nicht zu lange, denn bis zur Rudi-Dutschke-Straße isses ja noch ein Stück.

Im taz-Café weiß die Rezeptionistin Bescheid und lotst mich zum Fahrstuhl. Oben in der Redaktion ist ein kleines Buffet aufgebaut, Redakteure, Autoren und Gäste sind versammelt. Es herrscht eine gewisse Spannung, besser: Erwartungshaltung.

Einige Wochen zuvor hatte es auf Facebook ein Foto gegeben, das in einem Supermarkt im Süden der Republik aufgenommen worden war und einen Stapel Paletten mit schmalen Getränkedosen zeigte. Das Wort „Energydrink“ stand auf den Dosen, darunter allerdings auch das Wort „Currywurst“. Die Kommentare drückten Unglauben aus, Ekel oder beides. Lediglich icke hier meinte, man solle doch bitte schön etwas von dem Zeug besorgen und direkt mal verkosten.

Tatsächlich trifft schon kurze Zeit später eine Anzahl Rezensionsexemplare ein, die nun gut gekühlt im Redaktionskühlschrank harren. Problem: Niemand will probekosten. Dafür wird heftig durcheinandergeredet: „Flüssigwurst“ und „Funktionsnahrung“ heißt es, und „als Veganer kann ich das sowieso nicht trinken“.

Gesprächsstoff liefern formverfremdete Nahrungs- und Genussmittel, etwa Spaghetti- und – ups – Currywurst-mit-Pommes-Eis und urbane Legenden wie diese: Ein Mann erlitt nach einer Currywurst eine Lebensmittelvergiftung und verklagte die Imbissbude. Der Besitzer konnte allerdings nachweisen, dass in seiner Wurst überhaupt kein Fleisch drin gewesen war.

Im Currywurst-Energydrink ist kein Fleisch, sondern schwarzes Karottensaftkonzentrat, so steht’s in der Inhaltsangabe.

Als endlich doch jemand eine Dose öffnet, weicht der latente Ekel der Enttäuschung: Es handelt sich überhaupt nicht um verflüssigte Currywurst, sondern um einen klassischen Energydrink. Wie schmeckt das Zeug denn nun? „Weird“, sagt jemand, und ein anderer: „Schmeckt besser mit Eis.“ Und „Limo mit scharf“. Die neunjährige Tochter eines Redakteurs findet, dass es tatsächlich nach Currywurst schmeckt. Jedenfalls im Abgang. Für den Seniorkolumnisten ist zu wenig Zucker drin.

Ob das Zeug demnächst hier verkauft wird? Wir wissen es nicht. Doch herrscht einhellig die Meinung, der Hersteller könne seinen Umsatz verdoppeln, wenn er neben dem Energydrink mit Currywurstgeschmack einen mit dem Geschmack von Pommes-Schranke anbieten würde.

Auf dem Nachhauseweg umflattern mich zwei Elstern. Ich bilde mir ein, sie halten mich für den Elsterkönig, weil mein Shirt schwarz ist mit weißen Streifen an der Seite. Vielleicht liegt’s aber auch nur am schwarzen Karottensaftkonzentrat.