Millionen verschenkt

Das Land Nordrhein-Westfalen fordert millionenhohe Fördergelder im Gelsenkirchener FH-Skandal zurück. Haushaltskontrollausschuss des Landtags berät Affäre. Zwei weitere Verdächtige verhaftet

VON MARTIN TEIGELER

Die Landespolitik musste gestern ihr Versagen eingestehen: Das mit rund 12 Millionen Euro geförderte „Inkubator-Zentrum Emscher-Lippe“ hatte aus Sicht des NRW-Wirtschaftsministeriums von Anfang an kaum Aussicht auf Erfolg. Da sich das Zentrum an der Fachhochschule Gelsenkirchen auf schwierige Existenzgründungen spezialisiert habe, sei der inzwischen offenkundige Misserfolg nicht verwunderlich, so Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz (CDU) gestern in einer Sondersitzung des Haushaltskontrollausschusses des NRW-Landtags.

Warum der Inkubator, in dessen Aufsichtsrat zeitweise auch der damalige Gelsenkirchener Oberbürgermeister und jetzige NRW-Bauminister Oliver Wittke (CDU) saß, über Jahre mit öffentlichen Geldern unterstützt wurde, wollen die parlamentarischen Kassenprüfer des Landesparlaments nun aufklären. Ex-Wirtschaftsminister Harald Schartau (SPD) hatte vergangene Woche in der taz betont, man habe zu Beginn an das Zentrum zur Förderung innovativer Jungunternehmer geglaubt: „Sowohl das Land als auch die Stadt und die FH haben das Projekt hochgehandelt“, sagte er. „Dass ausgerechnet dort Geld verschwunden ist, ist eine Katastrophe.“

Mittlerweile distanziert sich das Land von dem Netzwerk von Scheinfirmen rund um die FH Gelsenkirchen, gegen das die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt (taz berichtete). Nach der Beurlaubung des FH-Rektors fordert das Land nun auch fast zwölf Millionen Euro an Fördergeldern zurück – von den mittlerweile inhaftieren Betreibern des Inkubators. So will das Wissenschaftsministerium von FDP-Ressortchef Andreas Pinkwart die Rückerstattung von 5,1 Millionen Euro erreichen. Das CDU-geführte Wirtschaftsministerium fordert 6,8 Millionen Euro zurück. Begründet werde die Forderung mit fehlenden Nachweisen für den rechtlich einwandfreien Einsatz der Mittel.

In der Ausschusssitzung wiederholte der Landesrechnungshof den Vorwurf der mangelnden Kontrolle von Fördergeldern. Zwar seien viele Kontrollgremien mit der Förderung des dortigen Emscher-Lippe-Zentrums betraut gewesen, sagte die Leitende Ministerialrätin am Rechnungshof (LRH), Ruth Katharina Susallek. Allerdings habe niemand die offensichtlichen Rückschlüsse oder Konsequenzen gezogen. „Die Feststellungen, die der Rechnungshof getroffen hat, hätte jeder im Verfahren auch treffen können.“

Während sich das Wissenschaftsministerium dem Mängelbericht des LRH anschloss, wies Wirtschaftsstaatssekretär Jens Baganz den Vorwurf mangelnder Kontrolle zurück. Dass es trotz Prüfungen durch die NRW-Bank und die Bezirksregierung Münster zu dem Skandal kommen konnte, sei „krimineller Energie zuzurechnen“.

Unterdessen sind zwei weitere Verdächtige festgenommen worden. Laut WAZ handelt es sich um zwei Unternehmer, die am Bau des Inkubator-Zentrums an der FH beteiligt gewesen sein sollen. Ein Justizsprecher bestätigte gestern die Verhaftungen.