In Ägypten bleiben viele Wahllokale leer

Präsident Mubarak lässt die umstrittenen Verfassungsänderungen in einem Referendum bestätigen. Die Opposition spricht von einem schwarzen Tag und boykottiert die Abstimmung. Daher geht es hauptsächlich um die Höhe der Wahlbeteiligung

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Die Wahlberechtigten in Ägypten schreiten zu den Urnen, diesmal, um eine Veränderung der Verfassung abzusegnen. Denn das Ergebnis ist, wie immer, von vornherein bekannt. Das mag auch daran liegen, dass die Opposition zu Hause geblieben ist. Sie boykottiert das umstrittene Referendum.

Zahnlos lächelnd steht eine Frau vor dem Wahllokal in der Kairoer Innenstadt unweit des Nils und hält ein Plakat hoch. „Ja zur Verfassungsänderung“ steht darauf, mit einem großen Bild des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak. Sie hat auf jeden Fall zugestimmt, verkündet Sarari, eine Mitarbeiterin des staatlichen Fernsehens, die ihren Nachnamen nicht nennen mochte. „Besser jemanden, den man kennt, als jemand Unbekannten“, rezitiert sie den Regierungsslogan der letzten Präsidentschaftswahl. Auch der Einwand, dass es diesmal nicht um die Wahl des Staatschefs, sondern um Veränderung der Verfassung geht, bringt sie keineswegs aus der Fassung: „Sei's drum – ich bin dafür.“ Sarari ist kein Einzelfall. Die meisten Beamten des Fernsehens haben keine Ahnung, wofür sie genau stimmen. „Da sollen irgendwelche Paragrafen in der Verfassung geändert werden und das ist sicherlich im Interesse des Volkes“, erklärt einer kurzum.

Das sehen Ägyptens Oppositionelle allerdings anders. Sie sprechen von einem schwarzen Tag. Sie werfen der Regierung vor, durch die Änderung von 34 Verfassungsartikeln einen Polizeistaat zu schaffen, die Macht des 78-jährigen Präsidenten Husni Mubarak zementieren und die Nachfolge für dessen Sohn Gamal vorbereiten zu wollen. Mit der Verfassungsänderung soll auch sichergestellt werden, dass die islamistischen Muslimbrüder als größte Oppositionsbewegung aus den politischen Institutionen ausgeschlossen bleiben.

Laut modifizierter Grundgesetzartikel wird Ägyptens Richtern in Zukunft das Recht entzogen, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu überwachen. Zu detailliert hatten sich einige von ihnen nach den Parlamentswahlen im letzten Jahr über den massiven Wahlbetrug geäußert. Außerdem wird ein neues Antiterrorgesetz eingeführt, das die seit 1981 geltenden Notstandsgesetze ablösen soll. Die Opposition sieht darin einen Freibrief für die Sicherheitskräfte. Parteien auf religiöser Grundlage, sprich: die Muslimbrüder, sollen fortan per Verfassung verboten sein. Als Präsidentschaftskandidat darf nur noch antreten, wer einer legalen Partei angehört, die mindestens drei Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen errungen hat. Nach heutiger Parlamentszusammensetzung erfüllt lediglich die Regierungspartei Mubaraks dieses Kriterium.

Der hatte noch am Vortag in einer Fernsehansprache zur Beteiligung an der Volksabstimmung aufgerufen. „Die neuen Grundgesetzartikel werden den politischen Aktivitäten einen Schub geben“, erklärte er. Sein Sohn Gamal sprach von einem „sehr wichtigen Schritt auf unserem Marsch für politische Reformen“.

Aufgrund des Oppositionsboykotts wird die Referendumsbeteiligung der eigentliche Test für das Vertrauen der ägyptischen Bevölkerung in die Verfassungsreform. Die Regierungsstatistik muss dabei mit Vorsicht genossen werden. Bei dem letzten Referendum vor zwei Jahren hatte das Innenministerium von einer Wahlbeteiligung von 54 Prozent gesprochen. Ein Bericht von unabhängigen Richtern sprach dagegen davon, dass die Beteiligung in vielen Wahllokalen nicht über drei Prozent lag.

Ähnliches zeichnete sich gestern ab. Laut der ägyptischen Menschenrechtorganisation EOHR, die auch diesmal 200 Beobachter ausgeschickt hatte, lag die Wahlbeteiligung am frühen Nachmittag bei zwei bis drei Prozent. In dem Wahllokal der Aschraf-Schule, direkt vor dem EOHR-Gebäude auf der Kairoer Nil-Insel Minyal, in der fast 1.000 Wähler registriert sind, war bis Mittag niemand erschienen, um sein Kreuzchen zu machen. Nur in den Wahllokalen in der Nähe staatlicher Institutionen und Betriebe herrschte ein wenig regerer Betrieb, da viele Staatsbedienstete zum Wählen „geschickt“ wurden. Ein übliche Taktik, um Wahllokale doch noch zu füllen.

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