Es muss nicht immer Vollzeit sein

TEILZEIT-AUSBILDUNG Acht Stunden am Tag im Ausbildungsbetrieb arbeiten und dann noch für die Berufsschule lernen: Das ist kaum möglich, wenn man Kinder oder Pflegebedürftige zu versorgen hat. Eine Alternative ist die Ausbildung in Teilzeit

VON NORA KOLHOFF

Um halb fünf Uhr morgens klingelt bei Olfa Ouhaibi der Wecker. Dann schmiert die 35-Jährige die Schulbrote und bringt ihre beiden Kinder zur Schulbetreuung. Mindestens eine Stunde braucht Ouhaibi danach, um zu ihrer Arbeitsstelle im Norden von Hamburg zu fahren. Die Mutter macht dort eine Ausbildung in Teilzeit.

Diese Möglichkeit ist seit 2005 rechtlich im Berufsbildungsgesetz verankert. Mindestens 25 Stunden pro Woche müssen die Auszubildenden dabei statt der üblichen 38 bis 40 Stunden arbeiten. Die Berufsschule absolvieren sie vollständig, wie ihre Mitschüler auch. Das Gesetz erlaubt eine Teilzeitausbildung, wenn ein „berechtigtes Interesse“ vorliegt und zu erwarten ist, dass das Ausbildungsziel in der gekürzten Zeit zu erreichen ist. Außerdem sollte die Person noch keine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben.Vor allem Mütter, Väter und Menschen, die Angehörige pflegen, können diese Form der Ausbildung wahrnehmen.

Olfa Ouhaibi macht eine Lehre am „Institut für Experimentalphysik“ der Uni Hamburg als Feinwerkmechanikerin. Ohne die verkürzte Arbeitszeit hätte sie dort nicht beginnen können, sagt sie. So früh morgens hätte sie keine Betreuung für ihre Kinder gefunden. Ouhaibi arbeitet 30 Stunden die Woche, von halb acht Uhr morgens bis zum frühen Nachmittag. Sie darf damit eine Stunde später als ihre Kollegen anfangen und etwas früher gehen. Die anderen Mitarbeiter hätten dafür Verständnis, sagt die Mutter. „Es ist ja nicht so, als ob du feiern gehst, du gehst zu deiner Tochter“, habe einer zu ihr gesagt.

Die Mutter von einem siebenjährigen Mädchen und einem sechsjährigen Jungen ist allein erziehend, im Notfall muss sie zu ihren Kindern. „Ich bin aber in den letzten zwei Jahren nur einmal wegen der Kinder zu Hause geblieben“, sagt sie.

Von der Teilzeitausbildung hat sie über die „Servicestelle für Ausbildung in Teilzeit“ (Sait) erfahren, die von der Stadt Hamburg und dem Europäischen Sozialfonds gefördert wird. Einmal im Monat gibt es dort eine offene Informationsveranstaltung, zu der man sich anmelden muss. Die Beratungsstelle hilft den Bewerbern danach bei der Suche nach einem Lehrbetrieb und begleitet sie durch die Ausbildung. Sie unterstützt außerdem Auszubildende in Vollzeit, die auf die verkürzte Variante umstellen wollen.

Die Lehrlinge müssten die gleichen Inhalte lernen wie ihre Kollegen in Vollzeit, sagt Beraterin Birgit Weinrich. Im Regelfall verlängert die Gesamtdauer der Ausbildung sich nicht. „Die Teilzeit-Auszubildenden haben vielleicht ein bisschen weniger praktische Übung, weil sie kürzer arbeiten. Dafür ist die Motivation oft größer“, so Weinrich.

Die jüngste Auszubildende, die die Servicestelle vermittelt habe, sei 15 Jahre alt gewesen, aber auch über 40-Jährige würden das Angebot wahrnehmen. Mehr als 1.000 Menschen haben die Sait-Mitarbeiter seit 2010 beraten, etwa ein Fünftel konnten sie an Betriebe vermitteln.

Probleme gebe es während der Ausbildung manchmal mit der Kinderbetreuung oder der Finanzierung des Lebensunterhaltes, berichten die Beraterinnen. Gerade wenn ein Kind zeitgleich mit Ausbildungsbeginn zum ersten Mal in die Kita geschickt werde, sei die Eingewöhnungsphase dort für die jungen Eltern oft schwer mit der Ausbildung vereinbar. In Einzelfällen müssten Eltern zu Randzeiten arbeiten, zu denen die Kitas geschlossen haben. Die Berater helfen in solchen Fällen, eine Tagesmutter zu vermitteln. Sie begleiten auch bei Behördengängen.

Die Möglichkeit der Teilzeit-Ausbildung sei in vielen Betrieben nicht bekannt, sagt Weinrich. So las Ouhaibis Ausbilder Frank Jonas in ihrer Bewerbung das erste Mal von dieser Option. „Ich hab mir gedacht, wir müssen das jetzt einfach mal anlaufen lassen“, sagt Jonas.

Einige Betriebe haben zudem Vorbehalte gegenüber einer reduzierten Lehrpraxis. Auch in der Werkstatt, in der Ouhaibi arbeitet, habe es vereinzelte Skeptiker gegeben, sagt Jonas. Man habe aber schnell gemerkt, dass das Konzept funktioniert. „Und puff, war die Skepsis vom Tisch.“

Ouhaibi bekommt wie viele andere aufgrund ihrer Teilzeitstelle prozentual weniger Geld. Sie ist auf eine Hilfe vom Staat angewiesen. „Aber ich wollte unbedingt einen Abschluss in der Hand haben“, sagt die Mutter.

Die 35-Jährige hatte bereits über zwei Jahre Elektrotechnik studiert, als sie ihr erstes Kind bekam. Ein Studium sei mit dem Baby nicht vereinbar gewesen, sagt sie. Ihre Ausbildung kann sie besser mit der Familie koordinieren. „Man hat keine Uni-Hausaufgaben und kann sich zu Hause voll auf die Kinder einlassen.“

Ouhaibi möchte ihren Kindern ein Vorbild sein. Bisher hat sie sehr gute Leistungen erbracht, sagt ihr Ausbilder. Sie ist zuversichtlich, mit ihren guten Noten direkt danach eine Arbeit zu finden.

Informationen unter: www.teilzeitausbildung-hamburg.de