Klimbim plus

Die preisgekrönte Vorabendserie „Türkisch für Anfänger“ wird ab heute fortgesetzt (ARD, 18.50 Uhr, „Die, in der Frauen schwach werden“)

Mit der zweiten Staffel geht der kulturelle Clash in die nächste Runde: Humoristisch wird die deutsch-türkische Beknacktheit vorgeführt

VON SILKE BURMESTER

Wenn die Klimbim-Familie ins Fernsehen kam, galt es, sich warm anzuziehen. Die geballte Ladung Irrsinn war nicht jedermanns Geschmack, die Zotigkeit und Hysterie auch nicht. Zur Verleihung des Deutschen Fernsehpreises stand auch so eine Art Klimbim-Familie auf der Bühne. Die Darsteller der ARD-Serie „Türkisch für Anfänger“, die den Preis in der Kategorie „Beste Serie“ erhielten.

Da war – übertragen auf die Serie – auch eine Menge Irrsinn auf der Bühne, zumal die TV-Tochter, die Schauspielerin Josefine Preuß, es sich nicht nehmen ließ, neben dem Produzenten auch etwas zu sagen. Die görige Art, in der sie ein Hoch auf die multikulturelle Schlagkraft artikulierte, stand – sicherlich unfreiwillig – Ingrid Steegers Klimbim-Tochterfigur in nichts nach.

In zwölf Folgen schilderte „Türkisch für Anfänger“, was im besten Klischee-Sinne passieren kann, wenn eine emanzipierte deutsche Frau samt ihren beiden pubertierenden Kindern mit ihrem Partner türkischer Abstammung und dessen pubertierenden Kindern in Berlin zusammenzieht. Drama, Wahnwitz und der angstfreie Umgang mit Vorurteilen, Macken und Allüren machte die von Philip Voges (u. a. „Erkan & Stefan“) produzierte Serie, für die verschiedene, meist türkischstämmige DrehbuchautorInnen tätig sind, so überzeugend, dass nun die zweite Staffel mit insgesamt 24 Episoden ins Vorabendrennen geht.

Dass dies bemerkenswert ist, liegt vor allem an der ARD. Dort nämlich dachte man zunächst nicht daran, die durchgängig von Kritikerlob überzogene Serie fortzuführen – die Quoten waren mit 8,6 Prozent Marktanteil unter den Erwartungen geblieben. Doch wie „saraleonie“ in der Internet-Community der Zeitschrift Brigitte sagt: „Auch eine gute Serie braucht etwas länger als zwölf Folgen, um sich zu etablieren!“

Und manchmal auch einige qualitätsorientierte Auszeichnungen, die die öffentlich-rechtlich Verantwortlichen daran erinnern, dass Qualität ein Wert ist, dem sie verpflichtet sind. „Türkisch für Anfänger“ hat verschiedene europäische Auszeichnungen und jüngst den Grimme-Preis bekommen.

Mit der zweiten Staffel geht der kulturelle Clash in die nächste Runde: unterhaltsam, humoristisch wird aus Sicht von Tochter Lena das Miteinander geschildert, die deutsch-türkische Beknacktheit vorgeführt, in ihren Auswüchsen und Berechtigungen. Die besondere Kraft der Serie: Sie kriegt jeden an den Eiern. Egal, ob es die über jeden Zweifel erhabene, westlich befreite Frau ist, die Muslima, die ihre Persönlichkeit hinter dem Vorhang der Religion versteckt, oder der selbstherrliche Jungmacker, der andere zur Seite schubst, damit sein Kamm genug Platz zum Schwellen hat.

Realitätsnähe und die auf den Punkt gebrachte Benennung von Situationen und Gefühlen („Kann ich reinkommen oder masturbierst du gerade?“) machen die Stärke aus, die das Klischee zum Inhalt erhebt. Die von hausfraulicher Unfähigkeit gekennzeichnete nervige Psychotherapeutinnenmutter, ein recht unbedeutender Ehemann, eine dem Irrsinn trotzende Tochter und – seit Ende der ersten Staffel – ein Opa, der mit dem Stock aufstampfend vom Krieg und deutscher Tugend erzählt. Das ist die Klimbim-Familie plus Yagmur und Cem, die dem Szenario 50 Prozent des multikulturellen Konfliktpotenzials beisteuern.

Auch Michael Pfleghars 70er-Jahre-Comedy-Sippe, längst ein Stück Fernsehgeschichte, bestach durch die konsequente Überzogenheit der Figuren und pointenreiche, böse Dialoge. Doch während die Klimbim-Familie in einer Harmonie des Schreckens lebte, gerät bei „Türkisch für Anfänger“ das Familienkonstrukt mit den neuen Folgen in Schieflage: Mutter Doris bekommt deutlich mehr Raum und wird in ihrer selbstherrlichen Grenzverletzung und ihrer Unfähigkeit als Therapeutin eine Zumutung für den Zuschauer. Ihr nerviges Wirken überschreitet die Schmerzgrenze, ohne dass sich erschließt, ob das an den Büchern oder der Schauspielerin Anna Stiebich liegt, die der Rolle mehr mitgibt, als dieser gut tut. Hier könnte bei aller Freude über ein Fortlaufen der Serie und aller kulturellen Vielfalt zum Trotz der alte Spruch gelten: Weniger ist mehr.