Friede, Freude, Drogenpolitik

Den Drogenabhängigen in dieser Stadt muss besser geholfen werden – darin waren sich PraktikerInnen und PolitikerInnen auf einer Podiumsdiskussion einig. Jetzt muss nur noch Geld her

von Eiken Bruhn

Die Zeiten, in denen ideologische Grabenkämpfe die Bremer Drogenpolitik bestimmt haben, sind vorbei. Zu diesem Fazit kam am Donnerstagabend der Wissenschaftler und Suchtexperte Heino Stöver, der ein Podiumsgespräch zur Zukunft der Drogenhilfe in Bremen moderierte. Zwei Stunden diskutierten Vertreter von CDU, FDP, SPD und Grünen mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen von Drogenhilfeeinrichtungen, ohne dass jemand seine Stimme erhob oder sich gar prinzipiell gegensätzliche Positionen abzeichneten.

Doch so einig man sich im Grundsatz darin war, dass Drogenabhängigen besser geholfen werden muss – so wenig Ideen gab es, wie dies angesichts des allgemeinen Sparzwangs bewältigt werden kann und welcher Bereich es am nötigsten hat.

Die Vorschläge der CDU-Gesundheitspolitikerin Rita Mohr-Lüllmann könne er nur begrüßen, sagte etwa Georg Kurz-Lund von der Therapieeinrichtung Hohehorst, die seit der Privatisierung die drei Bremer Drogenberatungsstellen betreibt. Er wisse nur nicht, wie sich diese umsetzen ließen, wenn wie vorgesehen weiter Personal eingespart werde. Mohr-Lüllmann, mit Abstand die engagierteste und am beste informierte Rednerin unter den vier geladenen PolitikerInnen, hatte eine ganze Reihe von Verbesserungen vorgeschlagen. Drogenabhängige müssten in Bremen viel enger begleitet werden, um ihnen einen Ausstieg aus der Sucht zu ermöglichen, so die CDU-Politikerin. Ihr Ziel sei eine interdisziplinäre Behandlung von Süchtigen, die sich beispielsweise auch um psychiatrische Gesichtspunkte kümmert und sie nicht allein mit Methadon versorgt. Nur so sei es den Betroffenen möglich, eines Tages ganz ohne Drogen leben zu können, sagte Mohr-Lüllmann. Im Untersuchungsausschuss „Kevin“ hatte sie sich mehrfach darüber empört, dass Drogenhilfe in Bremen zu selten das Ziel verfolge, den Abhängigen ein suchtfreies Leben zu ermöglichen. Am Donnerstag allerdings räumte sie ein, „dass Drogenfreiheit für einen Teil der Abhängigen eine Illusion“ sei. Außerdem musste sie feststellen, dass es weniger die Theorie als die Praxis ist, die Drogenfreiheit verhindert. So vermisst sie ein Konzept für die Betreuung und Substitution von abhängigen Strafgefangenen nach ihrer Entlassung. „Die bekommen ein Papier in die Hand, wo sie sich melden sollen.“ Das Problem: „Justiz fühlt sich dafür nicht zuständig, die sind da knallhart.“ Die CDU-Politikerin definierte noch ein weiteres Politikversagen: Es gebe zu wenig Beschäftigungsmöglichkeiten, um Ex-Junkies wieder gesellschaftlich anbinden zu können.

Eckhard Lange, stellvertretender Geschäftsführer der Bagis, führte dieses Problem auf die Hartz IV-Reformen zurück. Seitdem fehle der so genannte dritte Arbeitsmarkt, der eine Stabilisierung von Menschen zum Ziel hat und nicht ihre Unabhängigkeit von sozialstaatlichen Transfers. „Die Kommune hat sich hier zurückgezogen.“

Ein weiteres Problem in der Drogenhilfe: Die geringe Zahl von Entgiftungsplätzen in Bremen. Beinahe die Hälfte derjenigen, die zu einem Entzug bereit sind, müssten die Stadt verlassen, sagte Hohehorst-Geschäftsführer Kurz-Lund. Nur 24 Plätze stünden in der Drogenambulanz der Heines-Klinik zur Verfügung, und diese würden auch noch überwiegend von Notfällen blockiert. „Die gehen danach nicht in Therapie.“ Von denjenigen, die für die Entgiftung die Stadt verlassen und in einer anderen Einrichtung eine Therapie beginnen wollen, komme wegen der weiten Wege nur die Hälfte auch dort an, beklagte er.

Früher habe man geglaubt, es sei sinnvoll, Junkies so weit weg wie möglich zu schicken, um die Beziehung zur Drogenszene zu kappen, so Kurz-Lunds Kollege Martin Grotjahn. „Aber Dogen und eine Szene gibt es überall, wer wieder etwas nehmen will, bekommt es auch.“ Mittlerweile setze man darauf, Abhängige in ihrem Umfeld zu belassen. Dort könnten sie auch auf ein bekanntes Hilfenetz zurückgreifen. In frühestens drei Jahren rechne er mit der Eröffnung einer Fachklinik, in der Entzug und Therapie stattfinden, gemeinsam betrieben mit Klinikum Ost und Therapiehilfe Bremen.