„England ist ein Vorbild“

Schlechter Fußball, viel Gewalt: Die Regionalliga Nord hat einen schlechten Ruf. Ahlens Sturmtalent Josef Laumann fühlt sich dort dennoch wohl – ein Leben lang Drittligist bleiben will er aber nicht

Mit acht Saisontoren für Zweitligaabsteiger Rot-Weiss Ahlen gehört der 23-jährige Deutsch-Marokkaner Josef Laumann wahrscheinlich zu den größten Talenten in der Regionalliga Nord. Den fußballerischen Feinschliff bekam Laumann beim Bundesligisten Schalke 04. Davor spielte er für die traditionsreiche Spielvereinigung Erkenschwick.

Nach dem 2-0 bei den Amateuren von Werder Bremen (Laumann blieb torlos) steht Ahlen auf dem 6. Tabellenplatz der Regionalliga Nord – und ist trotzdem nur vier Punkte von einem Aufstiegsplatz entfernt. Laumanns Vertrag in Ahlen läuft im Sommer aus. Er hat Angebote aus der zweiten Bundesliga – noch weiß er nicht, ob er wechselt oder bleibt. KAN

INTERVIEW KLAUS JANSEN

taz: Herr Laumann, wie lautet die richtige Anrede: Josef, Joe oder Jupp?

Josef Laumann: Meine Mitspieler nennen mich Joe. Den Namen hab ich von meinem alten Trainer Ralf Rangnick bei Schalke. Der hatte keine Lust, immer Josef zu sagen. Die alten Leute hier in Ahlen und ganz früher in Erkenschwick haben mich schon mal Jupp genannt. Das liegt vielleicht an Westfalen.

Sind Sie eines Tages der berühmteste Josef Laumann im Land?

Na das hoffe ich.

Noch ist ihnen der NRW-Arbeitsminister im Bekanntheitsgrad voraus. Werden Sie häufiger auf ihn angesprochen?

Eigentlich nie. Nur von Freunden, die nach mir im Internet gesucht haben. Wenn die mich googeln, finden sie immer diesen Minister. Ich kenn ihn persönlich nur aus den Nachrichten.

Sie sind durch die Schalker Talentschule gegangen, jetzt spielen Sie seit einem Jahr für Rot-Weiss Ahlen in der Regionalliga Nord. Können Sie sich vorstellen, ein Leben lang in dieser Liga zu bleiben?

Auf keinen Fall. Es lohnt sich nicht, zehn Jahre Regionalliga zu spielen, keinen Beruf zu lernen und nachher keine Kohle zu haben. Aussorgen kann man in dieser Klasse nicht – deshalb kann es nicht mein Ziel sein, da ewig zu bleiben.

Sehen Sie sich als Profi?

Ich bin kein Vollprofi. Halbprofi vielleicht. Ich studiere ja auch noch nebenbei.

Dennoch trainieren Sie täglich, fahren einen schnellen BMW und leben vom Fußball. Was fehlt zum Vollprofi?

Die Intensität im Training. Und das Finanzielle (lacht).

Ist Ahlen zu beschaulich, um sich als Profi zu fühlen?

Vielleicht. Hier ist alles sehr familiär, auch wenn das Umfeld und die Trainingsplätze sehr professionell sind. Aber beschaulich passt, hier bleibt man schon eher auf dem Boden. Selbst wenn wir in die zweite Liga aufsteigen würden, wäre das schon etwas anderes als etwa bei einem Verein wie 1860 München, mit so einer Stadt dahinter.

In England gibt es eine echte dritte Liga, die Spieler dort sind Profis. Finden Sie es gut, dass in Deutschland auch eine dritte Profiliga kommt?

England ist ein Vorbild. Ich war vor Kurzem bei einem Kumpel in London, und der hat mir erzählt, wie professionell dort in der dritten oder vierten Liga gearbeitet wird und was dort gezahlt wird. Da werde ich als deutscher Regionalligaspieler schon neidisch. Eine dritte Liga wäre gut für all die Jungs, die den Sprung aus der Regionalliga zu den Profis nicht schaffen. Andererseits werden alle in den Ligen darunter abgewertet. Alle Amateure profitieren sicher nicht davon.

Die Regionalliga Nord hat im Moment keinen guten Ruf. Immer wieder gibt es Ausschreitungen der Fans, in Dresden jagen die Anhänger ihre eigenen Spieler. Erschreckt Sie das?

In Ahlen ist es ruhig, wir haben ja auch nicht so viele Zuschauer. Die Stadt hat 50.000 Einwohner, und von denen interessieren sich nur die Älteren für Fußball. Bei uns kommen nur wenig junge Leute ins Stadion. Aber wenn man nach Dresden, Magdeburg oder Erfurt fährt, dann ist das schon traurig zu sehen, wie die Leute da drauf sind. Von einzelnen Fans wird man da doch ganz schön angepöbelt.

Besonders als dunkelhäutiger Spieler?

Schon. Wir haben ja einige farbige Spieler bei uns, dazu ich als Marokkaner – das ist schon seltsam. Nicht nur von den Fans, auch von manchen Spielern. Bei unserem Heimspiel gegen Magdeburg ist zum Beispiel mein Kollege Daniel Thioune beim Stand von 1-1 von seinem Gegenspieler „Nigger“ genannt worden. Kurz danach habe ich das 2-1 für uns gemacht. Da habe ich mich besonders gefreut.

Woher kommt die Aggressivität gerade in der Regionalliga? Ist das ein gesellschaftliches Problem, das unabhängig vom Fußball ist – oder hängt es auch damit zusammen, wie dort Fußball gespielt wird?

In der Regionalliga wird sicher härter gespielt als in der ersten Liga. Es gibt dort nur wenige Teams, die wirklich guten Fußball spielen. Alles geht über den Kampf. Ich glaube aber nicht, dass dadurch das Verhalten der Fans bestimmt wird.

Hat der Fußball in der Regionalliga so etwas wie eine kaputte 80er-Jahre-Ästhetik, die ein bestimmtes Publikum anzieht?

Nicht kaputt. Es sind die selben Gründe, aus denen viele Menschen britischen Fußball mögen: Die Zuschauer sind nah dran, es wird gekämpft, es geht hin und her, Taktik zählt nicht so viel.

Die Teams in der Regionalliga sind in diesem Jahr so eng zusammen wie nirgendwo sonst. Verhindert das technisch guten Fußball?

Vielleicht. Es geht bei jedem Spiel um alles, man kann jedes Wochenende vier oder fünf Plätze auf einmal verlieren. Da ist viel Angst im Spiel.

Der frühere Essen-Trainer Jürgen Gelsdorf hat von einer „Schweine-Liga“ gesprochen, die man so schnell wie möglich verlassen muss. Wie sehen Sie das?

Ob das für Vereine gilt, weiß ich nicht. Aber als Spieler muss man schnell wieder da raus, sonst verkümmert man. Es gibt viele Fußballer, die bei der rauen Art des Spiels untergehen.

Haben Sie Angst, dazu zu gehören?

„Der Gegner hat einen Mitspieler ‚Nigger‘ genannt. Dann habe ich das 2-1 gemacht“

Ich kann auch kämpfen. Aber ich komme schon eher vom Fußballerischen, und das ist nicht immer einfach. Es wird viel mit langen Bällen gearbeitet, man bekommt wenige Bälle in den Fuß.

Die älteren Spieler, die in der Regionalliga überlebt haben, sind fast ausnahmslos Kämpfertypen oder betagte Exbundesligaprofis. Kann man von denen als Junger lernen oder wird man versaut?

Ich kann mir schon viel abgucken. Unser Trainer Heiko Bonan sagt selbst über sich, dass er mit wenig fußballerischen Mitteln und viel Biss weiter gekommen ist als andere, bei denen es umgekehrt war. Der haut sich auch im Training noch immer rein und verliert ungern.

Bis vor einem Jahr haben Sie in der Amateurmannschaft von Schalke gespielt. Stimmt das Klischee, dass in Reservemannschaften nur junge Talente versammelt sind, die längst den Absprung zu einem anderen Profiteam planen?

Ein bisschen was daran stimmt schon. Natürlich denkt jeder an sich und will nach oben. Aber auf Schalke habe ich das nicht so schlimm empfunden, wie ich vorher gedacht habe. Wir hatten einen guten Zusammenhalt.

Sollten Reserveteams in der neuen dritten Liga mitspielen dürfen?

Natürlich macht es mehr Spaß, in Dresden oder Düsseldorf vor 15.000 Zuschauern zu spielen als auf einem Nebenplatz in Hamburg. Aber die Amateurteams brauchen den Wettbewerb mit den Traditionsvereinen. Eine Reserverunde reicht da nicht.

Verfolgen Sie noch, was Ihre Kollegen aus Schalke machen?

Ja klar. Mit Manuel Neuer war ich bei den Amateuren. Im Trainingslager auf Mallorca waren wir einem Zimmer. Bei ihm war eigentlich immer abzusehen, dass er den Sprung zu den Profis schafft. Und Alexander Baumjohann spielt mittlerweile bei Mönchengladbach. Das ist schon gut.

Wie sich noch Zeit, selbst den Sprung zu schaffen?

Ich bin jetzt 23. Es wird Zeit. Wenn ich noch mit 25 Regionalliga spiele, ist der Zug nach oben abgefahren.