Agenda 2010
: Auf Tauchfahrt im Isolationstank

PETER ORTMANN ist Kulturchef der taz nrw. Kaum zu glauben. Einst hat er für West-Deutschland U-Boote gejagt.

We all live in a

yellow submarine,

yellow submarine,

yellow submarine. (Beatles)

Pepperland ist Ruhrieland. Noch sind sind die Blaumiesen der Europäischen Kulturhauptstadt nicht eingefallen. Noch ist es hier nicht farblos geworden. Noch sind wir der hoch gerüsteten Prominenz-Kultur und ihrer Sucht nach frischen Geldtöpfen nicht ausgeliefert. Ganz im Gegenteil. Mir wird es schon fast richtig zu bunt beim Kulturangebot zwischen Sommerzeit-Einführung und herbstlicher RuhrTriennale. Brauchen die Bürger der Region wirklich graue Nadelstreifen-Herren als kulturelle Zeitpolizei für ein Jahr? Die plötzlich europaweit Billig-Flüge ins Revier anbieten wollen? So unter dem Motto: Für 29 Euro nach Weeze oder Unna inclusive Sellars-Theaterkarte (Wette: Der ist garantiert noch nicht aus dem Rennen) oder einer dümmlichen Kunst-Paddeltour auf dem Essener Baldeneysee (Wette: Ohne Diskussion längst intern gedealt)? Aber vielleicht ist das auch nur ein Problem der Wahrnehmung. Wie könnte man die verändern? Lässt man Halluzinogene wenigstens einmal außer Betracht, könnten fernöstliche Meditation oder eine lustige Isolationstank-Therapie im Meer der Zeit oder Ozean der Löcher helfen.

Wenn das Programm für 2010 im kommenden Frühling bereits stehen soll, dann gibt es logischerweise auch nur noch schmale Eingriffsmöglichkeiten. Kann es sein, das wir alle tatsächlich in einem schwarz-gelben Unterseeboot sitzen, bei dem die Luftversorgung immer kritischer wird – oder macht die Subsumierung von Kultur unter das Diktat der Freizeit- und daraus resultierenden Marketing-Gesellschaft das notwendig? Meditation. Kunst war nie eine handelbare Dienstleistung, sie ist auch keine zivilisatorische Errungenschaft, denn sie war immer schon da und verbarg sich im Meer der Löcher. Wer sie finden will, benötigt kein Geld, sondern sein Herz. Das hat auch nichts mit Zeit zu tun. 2011 werden nicht viele partizipiert haben, aber sie werden in den Zeitungen lesen, wie großartig das Kulturhauptstadt-Jahr war und die meisten im (vielleicht andersfarbigen) Unterseeboot werden denken: „Ja und?“ und lieber darauf hoffen, dass die Luftzufuhr wieder verbessert wird. Denn die Tauchfahrt ins Grauen geht weiter.

Bleibt nur noch der Isolationstank. Durch sensorische Deprivation entzieht man den Menschen dort die sensorische Wahrnehmung. Schaffen wir also 2008 die ganzen Kulturangebote ab, geben den Machern die Fördermittel ohne Leistung und vertrauen einmal darauf, das den Menschen dann etwas fehlt. Eine Tauchfahrt mit dem Nowhere-Man durchs Nichts. Hand aufs Seerohr. Wie viele Bürgerinnen und Bürger würden das merken?

PETER ORTMANN