Länder wollen EU-Ziel toppen

Die deutschen UmweltministerInnen möchten bis 2020 die Emissionen stärker senken als die EU. Die Verstromung von Kohle stellen sie nicht infrage

Bei der Verstromung von Kohle in NRW wird mehr Kohlendioxid ausgeschieden als in ganz Frankreich

AUS DÜSSELDORF ANNIKA JOERES

Die Bundesländer schlagen noch einmal 10 Prozent drauf: Bei der gestrigen Konferenz der UmweltministerInnen forderten sie, die klimaschädlichen Emissionen in Europa bis 2020 um 30 Prozent zu senken. Beim Klimaschutz-Gipfel der Europäischen Union war vor zwei Wochen eine Verminderung um lediglich 20 Prozent festgeschrieben worden. „Wir wollen die Handlungsspielräume für die Länder nutzen“, sagte der nordrhein-westfälische Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU). Die „Düsseldorfer Erklärung“ solle für die EU ein Signal setzen.

Die MinisterInnen wollen Energie vor allem besser nutzen – nicht aber anders herstellen. Sie äußerten sich nicht zur Nutzung von Atomenergie oder zu den umstrittenen Braunkohlekraftwerken – wohl aber zum Sparen von Energie. So sollen Gebäude saniert und KundInnen über den Kauf und Gebrauch von sparsamen Geräten informiert werden. Besonders effiziente Produkte sollen ausgezeichnet werden. „Wir müssen die Menschen auch mitnehmen“, sagte Uhlenberg entschuldigend.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) rief zu einem Ausgleich der Interessen mit armen Ländern auf. „Die reichen Länder müssen einen Teil ihres Wirtschaftswachstums zum Beispiel in den Schutz und die Wiederaufforstung von Wäldern stecken“, sagte Gabriel. Die Industriegesellschaft müsse auf eine andere Basis gestellt werden, sagte der Minister.

Das Gastgeberland Nordrhein-Westfalen ist von einer solchen Umstellung allerdings weit entfernt. Es ist das Bundesland mit der schlechtesten Klimabilanz: Bei der Verstromung von Kohle in NRW wird mehr Kohlendioxid ausgeschieden als in ganz Frankreich. In den nächsten Jahren sollen zehn weitere Kraftwerke gebaut werden. Und so war in Düsseldorf auch der Vorstandsvorsitzende des schwedischen Energieriesen Vattenfall eingeladen.

„Wir müssen die Emissionen senken, ohne das Wachstum zu bremsen“, sagte Lars-Göran Josefsson. Das gelinge, indem weltweit alle Kraftwerke modernisiert werden. „Das bringt neue Geschäftsfelder und neue Gewinne“, fügte der Vattenfall-Chef hinzu. Er warnte vor „abrupten Veränderungen“. „Wir brauchen eine langfristige, politische Road Map“, so Josefsson. An der Debatte um gute und schlechte Energieproduktion beteiligten sich die UmweltministerInnen nicht mehr – sie wurde von ForscherInnen und Umweltschutzverbänden geführt.

„Es ist falsch, die Kraftwerke weiter auszubauen“, sagte die Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz, Angelika Zahrnt. Sie würden das Klima über Jahrzehnte schwer belasten. Auch Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung warf dem Vattenfall-Chef vor, zu wenig zu handeln. „Ihre Initiative ist nicht ambitioniert genug“, kritisierte er. Die Emissionen müssten weit drastischer sinken, als es mit modernisierten Kraftwerken möglich wäre. „Wir müssen die klimaschädlichen Ausstöße bis 2050 halbieren“, so Rahmstorf. Sonst wäre auch das Ziel der EU, eine Erderwärmung von nur zwei Grad Celsius zuzulassen, unerreichbar. Der Forscher warnte in Schlagworten: Bis 2040 könnte das Arktiseis abgeschmolzen, das Meereswasser um bis zu 59 Zentimeter gestiegen sein – die deutsche Nordsee sogar noch stärker. Die Gefahr von Waldbränden, Überschwemmungen und anschließenden Dürrezeiten werde drastisch steigen.

Dies spürt der Minister der spanischen Region Aragón, Alfredo Boné Pueyo, schon heute deutlicher als seine deutschen Kollegen. Seine nordöstliche spanische Provinz leidet seit Jahren unter Überschwemmungen im Frühjahr und Hitze im Sommer. In Aragón werden auch nicht die Kohlekraftwerke, sondern die Kläranlagen modernisiert. Außerdem setzen die Spanier auf den Nachwuchs: In den Schulen steht der Klimawandel auf der Agenda. Pueyo bedauerte: „Die Erwachsenen werden sich nicht mehr ändern.“ Die UmweltministerInnen applaudierten höflich. In einem Jahr werden sie sich alle in Aragóns Hauptstadt Saragossa wieder treffen. Dort findet die nächste europäische Encore-Konferenz der regionalen UmweltministerInnen statt. Ihr Thema: Wasser.