Kristina Schröder erhält Nachhilfe aus dem Norden

GENDER Norwegischer Gleichstellungsminister Lysbakken besucht deutsche Ministerkollegin

„Gleichstellung ist nötig für den Wohlstand“

AUDUN LYSBAKKEN

BERLIN taz | Beide haben große Ziele: Gleichstellung, Jungenförderung, eine veränderte Arbeitszeitkultur. Als Kristina Schröder (CDU), deutsche Familienministerin, und Audun Lysbakken, norwegischer Minister für Kinder, Gleichstellung und soziale Inklusion, am Freitag gemeinsam vor die Presse treten, hofft man auch auf große Ergebnisse des ersten Treffens der beiden MinisterkollegInnen. Schließlich ist Audun Lysbakken Gleichstellungsminister, ein Minister also, den es so in Deutschland nicht gibt. Und er ist es in einem Land, das Vorbild ist in diesem Bereich.

Wie läuft das in Norwegen mit den Kitaplätzen, der Geburtenrate, mit dem Elterngeld? Kristina Schröder weiß es jetzt. Die Erwerbstätigkeit von Frauen in dem skandinavischen Land liegt nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD bei rund 85 Prozent. Jede Frau bekommt durchschnittlich zwei Kinder und fast jedes Kind, wenn es ein Jahr alt ist, einen Kitaplatz. Das kann sich sehen lassen. Audun Lysbakken sagt: „Gleichstellung und eine hohe Erwerbstätigkeit von Frauen sind notwendig, um in der Zukunft den Wohlstand von heute zu erhalten.“ Und er sagt auch: „Deutschland kann sich von Norwegen inspirieren lassen.“

Lässt sich Deutschland inspirieren? „Wir müssen einen eigenen Weg finden“, sagt Kristina Schröder. Zu ihren „Zielvorstellungen“ gehöre auf jeden Fall nicht, dass „50 Prozent der Mädchen künftig Elektrotechniker werden und 50 Prozent der Jungen Hebammen“.

Am Donnerstag fand in Deutschland zum zwölften Mal der Girls’ Day statt – und zum ersten Mal der Boys’ Day. Jungs konnten schauen, wie es in sogenannten typischen Frauenberufen zugeht. Das fand auch Audun Lysbakken „sehr interessant“. Denn einen Boys’ Day gibt es im Königreich Norwegen bislang nicht. Wo in Norwegen Gesetze gelten, will Kristina Schröder lieber Wahlfreiheit, zum Beispiel bei der Quote. Norwegen hat 2005 eine staatliche Quote eingeführt und seitdem 40 Prozent Frauen an der Spitze börsennotierter Unternehmen. „Die Quote ist das effektivste Mittel, Diskriminierung zu beseitigen“, erklärt Audun Lysbakken: „Die Quote hat sichtbar gemacht, dass weibliche Talente verloren gehen, wenn man sie nicht einsetzt.“ Kristina Schröder hat in Deutschland vor Kurzem eine „Flexi-Quote“ installiert: Unternehmen müssen sich bis 2013 selbst eine Quote verordnen und diese erfüllen. Gelingt das nicht, soll es ein Gesetz geben.

„Wahlfreiheit“ will Kristina Schröder auch beim Elterngeld. Sie lehne es vehement ab, sagt sie, die „Vätermonate auf Kosten der Müttermonate zu kürzen“. „Das widerspricht grundsätzlich meinem gleichstellungspolitischen Anspruch.“ Derzeit erhalten Eltern in Deutschland, wenn Mutter und Vater das Kind betreuen, insgesamt 14 Monate Elternzeit. Gewöhnlich nehmen Frauen davon 12 und Väter 2 Monate. Es ist aber möglich, dass sich die Eltern diese Zeit anders aufteilen, beispielsweise halbe-halbe. Kristina Schröder: „Das gesetzlich so festzuschreiben, lehne ich ab.“

Norwegen ist ebenso Vorreiter bei der Arbeitszeitkultur. Dort ist es üblich, dass Eltern gegen 17 Uhr den Arbeitsplatz verlassen, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Schröder findet das „vorbildlich“. Dafür beginnt der Arbeitstag in Norwegen aber früher als in Deutschland, zwischen 7.30 Uhr und 8 Uhr. Und die Mittagspause dauert höchstens eine halbe Stunde. SIMONE SCHMOLLACK