In Italien verboten, in England erlaubt

EUROPA In den meisten Staaten ist die PID eingeschränkt möglich. Das hat weder zu massenhafter Nachfrage noch zu einem befürchteten Missbrauch geführt

BERLIN taz | Die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist die genetische Untersuchung eines Embryos, bevor er in den Mutterleib eingesetzt wird. Sie ist daher nur bei Embryonen möglich, die durch künstliche Befruchtung, die sogenannte In-vitro-Fertilisation, entstanden sind. Einige Tage nach der Befruchtung entnehmen Ärzte eine oder mehrere Zellen des Embryos und untersuchen sie auf Genmutationen und auf Anomalien der Chromosomen. Danach wird nur ein gesunder Embryo eingepflanzt, die anderen werden vernichtet oder eingefroren. Die Wahrscheinlichkeit, nach dieser Prozedur ein Kind zu gebären, liegt bei etwa 20 Prozent.

Bei der PID wird kein kompletter Test auf alle bekannten Erbkrankheiten gemacht. Die PID ist eine gezielte Diagnostik einer bestimmten Erkrankung, auf die ein Verdacht vorliegt. Für Eltern, die selbst einen Gendefekt haben, geht es darum, mithilfe der PID die Gefahr einer Totgeburt oder eines schwer kranken Kindes zu verringern.

Befürworter argumentieren, es sei unethisch, Menschen diese Möglichkeit zu nehmen, schließlich seien auch Untersuchungen auf Erbgutschäden während der Schwangerschaft und bei entsprechender Diagnose sogar Abbrüche bis kurz vor der Geburt erlaubt. Die Gegner bemühen das Grundgesetz, das das Töten menschlichen Lebens verbietet, sie glauben, die PID ermögliche Menschenzucht.

Die rechtlichen Bestimmungen in Europa zur PID sind unterschiedlich. In Deutschland war man jahrelang davon ausgegangen, dass die PID verboten sei, obwohl das nirgendwo explizit so stand. Dann entschied der Bundesgerichtshof im Juli 2010 nach der Selbstanzeige des Berliner Arztes Matthias Bloechle, dass die PID keinen Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz darstelle. Ohne parlamentarische Neuregelung darf die PID also durchgeführt werden. Als schwer zu ziehen gilt die Grenze zwischen schweren Erbkrankheiten und zumutbaren Leiden.

Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht bietet eine Übersicht zum Umgang mit der PID in Europa. Danach sind die Tests in Italien verboten, in Finnland bislang gar nicht gesetzlich geregelt, dafür aber in Großbritannien bis zum 14. Tag der Entwicklung des Embryos zulässig.

Hilfe für todkranke Kinder

In den meisten Ländern mit PID-Erlaubnis gibt es Einschränkungen: So ist die PID in Dänemark nur zulässig bei bekanntem erheblichem Risiko der Übertragung einer schwerwiegenden Erbkrankheit oder zum Ausschluss oder zur Aufdeckung schwerwiegender Chromosomenanomalien. Seit 2004 ist die PID zudem erlaubt, damit ein geeignetes „Spendergeschwisterkind“ für ein bereits geborenes, aber todkrankes Kind geboren werden kann.

In Frankreich ist die PID nur als Ausnahme zugelassen: Ein Arzt aus einem multidisziplinären Zentrum für pränatale Diagnostik muss dazu ein „hohes Risiko der Übertragung einer besonders ernsthaften, unheilbaren genetischen Erkrankung“ bestätigen. Die PID erfolgt in Fachzentren für Pränataldiagnostik – nach der Bewertung durch eine Ethikkommission.

Die PID hat im europäischen Ausland weder zur Massennachfrage noch zum befürchteten Missbrauch geführt. Nach Angaben der Europäischen Gesellschaft für menschliche Reproduktion und Embryologie (ESHRE) wurde eine PID im Jahr 2007 nach bislang vorliegenden Zahlen europaweit 6.822-mal durchgeführt. Erfasst wurden dabei Daten aus 17 Ländern, wobei die ESHRE selbst Zweifel an der Vollständigkeit äußert.

In 3.746 Fällen erfolgte ein Embryonentransfer in den Mutterleib. Knapp die Hälfte war erfolgreich, die PID führte hier also zu Schwangerschaften (1.817). Geboren wurden 898 Kinder. In Deutschland wird geschätzt, dass etwa 200 bis 400 Paare jährlich eine PID in Anspruch nehmen würden. HEIKE HAARHOFF