Fisch strahlt, Becken kocht, AKW wackelt

ATOMUNFALL Lage in Fukushima gespannt. Debatte über Sicherheit

BERLIN taz | Wieder neue Funde von hoher Radioaktivität in Lebensmitteln, wieder eine kritische Situation in Fukushima und endlich eine nationale Debatte über die Bausicherheit der japanischen AKWs. Diese Nachrichten haben gestern das Geschehen rund um Fukushima bestimmt. Auch nach fünf Wochen ist die Lage an den havarierten Meilern extrem angespannt.

Mit bis zu 24.500 Becquerel (Bq) sind Fische belastet, die vor der Küste bei Iwaki südlich des AKWs gefangen wurden. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums enthielten die Sandaale 12.500 Bq Cäsium und 12.000 Bq Jod, was 25-mal beziehungsweise 6-mal so hoch wie die jeweiligen Grenzwerte ist. Elf Gemüsesorten aus der Provinz Fukushima wurden als belastet eingestuft, teilweise lagen die Werte viermal so hoch wie das Limit. Eine Kooperative von Fischern in Iwaki hat einen Monat vor Beginn der Fangsaison verkündet, es werde in diesem Jahr keine Ernte von Seeigeln und Muscheln geben. Nach Angaben der Fischer ist nicht klar, ob die Meeresfrüchte verkäuflich sind und ob das Tauchen nach ihnen sicher ist.

Am AKW selbst sind die Helfer dabei, das hochradioaktive Wasser abzupumpen, das in den Kellern steht, um an die Gebäude zu gelangen. Es läuft aber immer neues Wasser nach und die Aufnahmetanks sind noch nicht fertig. Auch das Abklingbecken an Block 4 bereitete den Helfern wieder große Probleme. Obwohl nach Angaben des Senders NHK über einen Greifarm 195 Tonnen Wasser ins Becken gepumpt wurden, sind die heißen Brennstäbe von nur zwei Meter Wasser bedeckt. Das Wasser wiederum steht mit einer Temperatur von 90 Grad Celsius kurz vor dem Siedepunkt. Sollte es verdampfen und die teils beschädigten Brennstäbe dadurch freigelegt werden, würden diese stark strahlen. Schon jetzt haben die Behörden 84 Millisievert über den Becken gemessen. Damit bekäme ein Arbeiter nach drei Stunden am Becken eine Dosis ab, mit der er nicht mehr eingesetzt werden dürfte.

Sorge bereitet den Ingenieuren auch noch ein anderes AKW: Im Reaktor Onagawa, etwa 100 Kilometer nördlich von Fukushima an der Ostküste, wurden bei den Erdbeben Stöße registriert, die über der vorgesehen Höchstbelastung der Gebäude lagen. Die Erschütterungen überschritten die maximale Auslegung der drei Reaktorblöcke um bis zu zehn Prozent, erklärte die Atomsicherheitsbehörde Nisa gestern. Sie forderte alle AKW-Betreiber auf, die Sicherheitsauslegungen für ihre Anlagen zu überprüfen. Der Vizechef der Atomenergiekommisson, Tatsujiro Suzuki, mahnte unterdessen, Japan solle den Fukushima-Unfall „sorgfältig und international nachprüfbar“ aufarbeiten. „Wir sollten es anders machen als in der Vergangenheit“, sagt Suzuki, und eine Untersuchungskommission aus unabhängigen und ausländischen Experten einberufen. BPO