Lehrer in der Musterung

Pädagogen werden zurzeit doppelt zensiert: Schulinspekteure der Bezirksregierung sollen „Minderleister“ herausfiltern. Und im Internet bewerten Schüler Aussehen und Motivation

VON SARAH-LENA GOMBERT
UND NATALIE WIESMANN

Lehrer Hubert Maier* ist höchst motiviert – aber extrem unsexy. Seine SchülerInnen haben ihn auf der Seite „spickmich.de“ anhand von Schulnoten bewertet: Er erhält eine eins Minus für Motivation, eine fünf minus fürs Aussehen. Lehrerin Anna Müller* erwischt es härter: Sie muss in dem Forum folgenden Kommentar zu ihrer Person lesen: „die frau ist sooo geil die kann mir direkt mal einen blasen.“

Wegen dieser und weiterer Diffamierungen will jetzt ein Schulleiter diese Internetseiten sperren lassen. Er will nicht genannt werden, um eine Diskussion an seiner Schule zu vermeiden: „Ich möchte die Seite schnell und diskret aus dem Verkehr ziehen lassen“, sagt er der taz. Die Lehrer hätten schon genügend Druck, man müsse sie nicht auch noch den unkontrollierten Hasstiraden ihrer Schüler aussetzen. „Die Betreiber sind nicht in der Lage, die Seite zu verwalten.“

Vor sechs Wochen sind drei Kölner Studenten mit ihrer Lehrerbenotungs-Seite an den Start gegangen. Sie wehren sich gegen Vorwürfe, sie würden zum Bashing einladen: „Achtzig Prozent der Bewertungen sind positiv“, sagt Manuel Weisbrod. Stark beleidigende Kommentare würden herausgenommen. „Wir sehen die Beiträge erst, wenn sie schon längst im Netz stehen“, gibt Weisbrod zu. Einige Kommentare würden sie bewusst nicht löschen, „weil sie zur Meinungsfreiheit gehören.“

Mit der Bewertung von Lehrern liegen die Kölner Studenten ganz im Trend. Der Aktionsrat Bildung forderte kürzlich stärke Qualitätskontrollen von Pädagogen. In NRW werden seit 2005 Qualitätsprüfer in den Unterricht geschickt. Schulministerin Barbara Sommer (CDU) erklärte im Oktober, was diese bewirken sollen: „Lehrer mit Defiziten werden im Kollegium identifiziert und isoliert.“ Denn bisher hätten diese „vor sich hindümpeln“ können.

Offiziell sollen die Schulinspektionen bei der Weiterentwicklung des Unterrichts helfen. Daneben gibt es noch die Kontrollen der Bezirksregierungen: Die Schulaufsichtsbehörde reagiert mit Unterrichtsbesuchen auf Anfragen und Beschwerden – etwa von Eltern.

Der tragische Fall einer Essener Lehrerin zeigt, wie belastend diese Kontrollbesuche sein können: Wie in der ZEIT berichtet, wurden die Pädagogin und drei ihrer KollegInnen von Schulaufsichtsbeamten als „Minderleisterin“ kategorisiert. Freunde und Arbeitskollegen hingegen hatten sie als höchst motiviert empfunden, als eine, die sich für das Wohl ihrer Schüler einsetzt. Der angekündigte Besuch durch die Schulaufsicht hatte sie nervös werden lassen, und die schlechte Bewertung ihres Unterrichts hat sie hart getroffen. Knapp drei Monate, nachdem ihr auch noch ihre eigene Klasse entzogen worden war, verstarb die Lehrerin. Die Ursache ist unklar. Einer ihrer Kollegen allerdings ist seitdem in psychiatrischer Behandlung, andere gingen in den frühzeitigen Ruhestand.

Sollte es sich dabei auch um einen Einzelfall handeln – schon 2004 hat der Verband Bildung und Erziehung in einer Studie zur Belastung im Lehrerberuf festgestellt, dass jede dritte Lehrkraft von einem Burn-Out-Syndrom bedroht ist. Laut einem neuen Gutachten der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist auch der Arbeits- und Gesundheitsschutz für LehrerInnen in NRW „unorganisiert, unterfinanziert und unwirksam“.

Der Druck auf Lehrer sei zu hoch, findet Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbands in NRW. „Es ist aber auch klar, dass wir nicht nur neue, hervorragende Lehrkräfte haben.“ Deshalb sei eine Zusammenarbeit von Ministerium, Bezirksregierungen und Schulen sehr wichtig. „Doch es gehört auch einfach dazu, dass die Schüler lernen, mit verschiedenen Charakteren klarzukommen.“

* Namen wurden von der Redaktion geändert