Ouattara ruft nach Gbagbos Festnahme zu Versöhnung auf

ELFENBEINKÜSTE UNO untersucht Kriegsverbrechen, Präsident kündigt Wahrheitskommission an

„Gbagbo sagte: ‚Töten Sie mich nicht!‘ Sie zogen ihm eine kugelsichere Weste an“

FRCI-Kommandeur

BERLIN taz | Alassane Ouattara will eine Wahrheits- und Versöhnungskommission ins Leben rufen, um „alle Massaker, Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen“ in der Elfenbeinküste aufzuklären. Dies sagte der ivorische Präsident am späten Montag in einer Fernsehansprache nach der Festnahme seines Vorgängers Laurent Gbagbo. „Wie alle friedensliebenden Ivorer hätten wir uns eine andere Art der Machtübertragung gewünscht“, sagte Ouattara. Es seien jetzt „alle Maßnahmen“ ergriffen worden, um die Sicherheit Gbagbos und aller anderen Festgenommenen zu garantieren. Die Generalstaatsanwaltschaft solle gegen Gbagbo, seine Ehefrau und seine Mitarbeiter ein Ermittlungsverfahren einleiten.

Zur Frage, ob Gbagbo in der Elfenbeinküste vor Gericht gestellt oder an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) nach Den Haag überstellt werden soll, äußerte sich Ouattara nicht. Er hatte im März ein Memorandum über Morde, Verschwindenlassen und andere Verbrechen der Gbagbo-Sicherheitsorgane aus der Zeit zwischen Anfang Dezember und Anfang März anfertigen und an den IStGH schicken lassen. Dem Memorandum zufolge, das der taz vorliegt, ist die Zuständigkeit des IStGH gegeben. Es seien über 400 Tote in drei Monaten zu verzeichnen.

Gravierende Menschenrechtsverletzungen haben seitdem auch die für Ouattara kämpfenden Streitkräfte FRCI (Republikanische Streitkräfte der Elfenbeinküste) begangen, vor allem beim Kampf gegen Gbagbo-treue ethnische Milizen im Westen des Landes. Der UN-Menschenrechtsrat in Genf erklärte gestern, nach „unseren bisherigen Erhebungen“ seien im Westen der Elfenbeinküste seit Anfang März 536 Menschen getötet worden. Der Rat berief eine dreiköpfige Expertengruppe aus dem Thailänder Vitit Muntabhor, dem Sudanesen Suliman Baldo und der Beninerin Reine Alapini Gansou, um den Anschuldigungen nachzugehen.

Unterdessen wurden Einzelheiten über Gbagbos Festnahme im Bunker seiner Residenz in Abidjan am Montagnachmittag bekannt. Ein FRCI-Kommandeur berichtete gegenüber AFP, zunächst habe man den verminten Hof überwinden müssen und sich dann den Weg mit Tränengas gebahnt. „Dann ging Kommandant Vetcho hinein. Als er Gbagbo vor sich sah, vor seinem Büro, sagte Gbagbo als Erstes: ‚Töten Sie mich nicht!‘ Sie zogen ihm eine kugelsichere Weste an und dann umringten ihn Kommandant Vetcho, Kommandant Wattao, Chérif Ousmane und Morou Ouattara, um ihn zu schützen, denn einige unserer Elemente wollten ihn sofort erledigen. Wir steckten ihn in Wattaos Geländewagen und fuhren ihn zum Golf-Hotel. Wir brachten ihn diskret ins Hotel. Ich sah Simone (seine Frau) in der Halle, sie trug ein langes Kleid. Die Sicherheitsleute der FRCI versuchten, sie vor der Menge zu schützen, die sie verprügeln wollte. Aber einige schafften es wohl, ihr ein paar Schläge zu versetzen, ihr Haare auszureißen. Sie riefen: ‚Hexe, Affe, Todesschwadron!‘“

Gbagbo selbst rief noch am Montagabend in einer Ansprache in Ouattaras TV-Sender seine Kämpfer zum Gewaltverzicht auf. Dennoch war gestern Gewehrfeuer im Zentrum Abidjans zu hören. DOMINIC JOHNSON

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