Kurden unter Druck

Kurz vor dem Neujahrsfest Newroz geht die türkische Polizei massiv gegen die kurdische Partei DTP vor

ISTANBUL taz ■ Im Vorfeld des am Mittwoch stattfindenden kurdischen Neujahrsfestes Newroz hat die türkische Polizei mit Razzien in Büros der kurdischen „Partei für eine demokratische Gesellschaft“ (DTP) und Verhaftungen führender Parteimitglieder Spannungen weiter verschärft. Sowohl in Städten im kurdisch besiedelten Südosten wie auch in Istanbul und Izmir wurden Parteibüros der DTP durchsucht und Mitglieder der Partei festgenommen. Während die Polizei von der Beschlagnahme verbotenen Propagandamaterials spricht (Flugblätter in Kurdisch) oder dem Fund von Molotowcocktails, beschwert sich die DTP über eine Repressionswelle vor dem Frühjahrsfest.

Newroz, das kurdische Frühjahrsfest, ist in der Türkei traditionell ein Anlass für eine Kraftprobe zwischen der separatistischen PKK und der Polizei. Während in den 90er-Jahren Newrozfeiern verboten waren, fanden in den letzten Jahren zwar große Feierlichkeiten statt, es kam aber stets zu Zwischenfällen. So werden bei Newroz-Demonstrationen regelmäßig verbotene Porträts von PKK-Chef Öcalan gezeigt und für seine Freilassung demonstriert. 2005 kam es zu Auseinandersetzungen, als Jugendliche bei Protesten in Mersin türkische Fahnen verbrannten.

In diesem Jahr deuten bereits alle Anzeichen darauf hin, dass die Newroz-Feiern erneut zu einer massiven Kraftprobe zwischen Polizei und der PKK mit ihren Sympathisanten werden wird. So wertet die Polizeiführung die von Öcalans Anwälten verbreitete Nachricht, der Chef der PKK würde auf der Gefängnisinsel Imrali langsam vergiftet, und die Demonstrationen am 15 Februar, dem Jahrstag der Verhaftung Öcalans 1999 in Kenia, als Strategie für die Vorbereitung eines „Volksaufstandes“, der mit Newroz beginnen soll.

Die PKK, werden Sicherheitskreise in türkischen Zeitungen zitiert, wolle das Wahljahr (im April wird der Präsident, im November das Parlament gewählt) dazu nutzen, ihren Kampf für ein unabhängiges Kurdistan wieder aufzunehmen und dabei maximale Aufmerksamkeit zu erzielen.

In dieser Auseinandersetzung steht die legale kurdische DTP genau zwischen den Fronten. Während sie von Polizei und einem großen Teil der öffentlichen Meinung verdächtig werden, der legale Arm Öcalans zu sein, geht die PKK gewaltsam gegen DTP-Funktionäre vor, die sich allzu laut vom bewaffneten Kampf distanzieren.

Unter diesem Druck scheint die Partei im letzten Jahr auf eine kurdisch-nationalistische Linie eingeschwenkt zu sein. Für Aufsehen sorgte kürzlich ein Statement des DTP-Chefs von Diyarbakir, der zu der Debatte über einen möglichen Einmarsch der türkischen Armee im Nordirak sagte: „Wir, die Kurden in der Türkei, betrachten einen Angriff auf Kirkuk wie einen Angriff auf Diyarbakir.“ Besser kann man die Alarmglocken im türkischen Generalstab nicht zum Klingen bringen. JÜRGEN GOTTSCHLICH