Regiermeister/in gesucht

STELLENANGEBOT Berlin braucht als Wowi-Nachfolger einen neuen Ministerpräsi-denten (m/w), der dort Regierender Bürgermeister heißt. Wäre das nicht ein Job für Sie?

VON STEFAN ALBERTI

Sie sind ab Mitte Dezember verfügbar? Sie sind mobil? Dann könnte ein Job in Berlin für Sie infrage kommen, der zum 11. des Monats neu zu besetzen ist.

Gesucht wird die eierlegende Wollmilchsau. Entschuldigen Sie den altbackenen Ausdruck, aber er bringt es immer noch am besten rüber. Sie sollen nämlich zwölf Großstädte, eine Metropole, die Bundeshauptstadt und das achtgrößte deutsche Bundesland regieren. Der Vorteil: Sie können das alles von einem Schreibtisch aus machen, weil es sich auf bloß 890 Quadratkilometern im Osten Deutschlands abspielt – also einer Fläche, die nicht mal so groß ist wie zweimal der Bodensee. Der Nachteil: Der Schreibtisch ist riesig.

Sie müssen damit klarkommen, dass jede Initiative, die es in den unmerklich bevölkerungsreicheren Ländern Sachsen, Hessen oder Rheinland-Pfalz kaum zum Landrat schaffen würde, geschweige denn aus der Provinz in die Landeshauptstadt, direkt bei Ihnen landet. Nirgendwo gibt es so viele Interessengruppen, Lobbys, Initiativen und Engagierte auf einem Fleck wie hier. Jede Beschwerde, jedes Lamento wird sofort zum „Brandbrief“, um den sich bitte sehr und ausschließlich und gefälligst sofort der Regierende Bürgermeister (oder die Bürgermeisterin) zu kümmern hat. Denn das wäre Ihr Titel, der Ihr Zwitterdasein bereits in sich trägt: Dorfschulze und Ministerpräsident in einem.

Früher mussten Sie sich wenigstens keine Gedanken über die Finanzen machen. In Vorwendezeiten kam das Geld aus Bonn, um den Westteil Berlins als Frontstadt am Leben zu erhalten. Fürs Sparen waren andere zuständig, Berlin war der Ort, an dem Ihre Vorgänger unter internationaler Beobachtung die Bastion der Freiheit in der Sowjetzone hielten.

Jetzt aber müssen Sie mit über 60 Milliarden Euro Schulden klarkommen. Ihr Vorgänger Klaus Wowereit hat zumindest angefangen, ein bisschen davon zu tilgen, und sich damit nicht nur beliebt gemacht. Zugleich müssen Sie sich von Ihren Ministerpräsidentenkollegen anhören, Sie würden all das bloß verprassen, was sie Ihnen durch das schöne – und im Grundgesetz verankerte – Mittel des Länderfinanzausgleichs rüberschieben.

Sie waren wie Ihr Vorgänger im besten Fall Fraktionschef/in und/oder Beigeordnete/r in einer jener zwölf Großstädte, die trotz ihrer jeweils fast 300.000 Einwohner in Berlin niedlicherweise Bezirke heißen. Dann haben Sie nämlich einen Plan davon, was da im Kleinen abgeht. Aber vermeiden Sie, allzu interessiert zu wirken, sonst sind Sie in Berlin, das sich im neu erworbenen Ansehen einer Metropole sonnt, schnell ein Erbsenzähler, der sich im Kleinteiligen verliert, statt Weltläufigkeit zu pflegen.

Detailwissen hilft

Orientieren Sie sich ruhig an Ihrem Vorgänger. Der war als Parlamentarier Haushaltsexperte, kannte auch danach noch die meisten Zahlen und Details und konnte seinen Ministern, die hier Senatoren heißen, ihr Unwissen oft genug um die Ohren hauen – was er aber erfolgreich verhüllte, indem er seinen Spaß am Feiern als Partymeister kultivierte und gegen den Zwitter „Regiermeister“ nicht viel einwand.

Denken Sie immer daran: Berlin will die große Nummer, den Weltläufigen, den Glamourösen – aber es will zugleich den Kümmerer, der Bescheid weiß. Die Ihnen vielleicht persönlich oder aus den Medien bekannte frühere Grünen-Größe Renate Künast hatte das nicht verinnerlicht, als sie Ihren vielleicht zukünftigen Job haben wollte. Sie hatte zwar große Pläne, doch innen drin waren die wie einer jener Schokonikoläuse, die Sie bald wieder im Supermarkt finden: hohl.

Auch Ihr Vorgänger hatte zwischenzeitlich vergessen, dass er in Berlin nicht nur für das ganz große Kino, sondern auch für die kleinen Sorgen von Lieschen Müller zuständig ist, die hier Erna Kasupke heißt. Der hob zwischenzeitlich so ab, dass er, als sich vor einigen Wintern vor allem Ältere reihenweise auf Dauerglatteis die Knochen brachen, das Ganze für nicht so schlimm hielt, weil es zeitgleich auf Haiti nach einem schweren Erdbeben noch schlimmer war.

Sie müssen in der Lage sein, Ihrem Gegenüber zu suggerieren: Ich höre dir zu. Das heißt nicht, dass Sie nicht zeitgleich im Kopf noch mal den Einkaufszettel für später durchgehen können – Hauptsache, Ihr Gegenüber fühlt sich verstanden. Ihr Vorgänger, sobald er aus höheren Sphären wieder gelandet war, hatte das mit der Empathie perfektioniert und gewann gefühlterweise den Wahlkampf allein mit einem Plakat, auf dem er sich von einem Kind mit einer Krokodilhandpuppe in die Nase beißen ließ. Falls Sie Ähnliches wie dieses legendäre Schnappi-Motiv auf Lager haben – nur zu! Wenn Sie auf Abruf noch berlinern können, umso besser – Ihre drei unmittelbaren Vorgänger waren spätestens seit Studienzeiten in der Stadt zu Hause.

Flughafenwissen schadet

Was Sie nicht haben sollten, ist eine Nähe zu Aeronautik, sprich Flugwesen – Sie können damit erwiesenermaßen nur scheitern. Überlassen Sie anderen alle offiziellen Kontrollfunktionen beim größten Infrastrukturprojekt der Region, dem Flughafen BER, dann können Sie auch für nichts in Haftung genommen werden. Bleiben Sie wie der Ministerpräsidentenkollege im benachbarten Brandenburg aus dem Aufsichtsrat raus. Oder gucken Sie immer und ganz genau auf alles und trauen dem Flughafenvorstand noch nicht mal bei der Uhrzeit – was Ihnen dann bloß nicht mehr viel Zeit für Ihren eigentlichen Job lässt. Handeln Sie anders, droht Ihnen das Schicksal Ihres Vorgängers und Sie müssen unter dem Druck von sinkenden Umfragewerten für sich selbst und Ihre Partei Ihren Posten trotz aller Verdienste vor dem vereinbarten Vertragsende wieder räumen.

Bewerbungen richten Sie bitte bis Montag an die SPD-Landesgeschäftsstelle, Müllerstraße 163, 13353 Berlin , spd@spd-berlin.de .