Die Geächteten und die Gepriesenen

EHRUNG Die Münchner Ultras von der „Schickeria“ erhalten vom DFB den Julius-Hirsch-Preis. Beim FC Bayern schweigt man sich dazu aus

Dass diese Ehrung mittlerweile für Aufsehen sorgt, verwundert nicht

VON GERALD MANDER

Wer ziert sich nicht gern mit Preisen? Zumal der Julius-Hirsch-Preis, den der Deutsche Fußball-Bund alljährlich an Personen und gesellschaftliche Organisationen verleiht, die sich für Freiheit, Toleranz und Menschlichkeit einsetzten, mittlerweile durchaus großes Renommee genießt. Aber beim FC Bayern München will man anscheinend kein Wort darüber verlieren, dass dieses Jahr die Münchner Ultragruppierung Schickeria den DFB-Preis erhält. Auf den Social-Media-Kanälen sowie auf der Vereinsseite wurde die Ehrung der Schickeria mit keinem Wort erwähnt. Auch Nachfragen der taz wurden nicht beantwortet.

Der „Schickeria München“ ist es zu verdanken, dass Kurt Landauer aus der Vergessenheit geholt wurde. Trotz maßgeblichen Anteils an der ersten Meisterschaft des FC Bayern München kennt kaum jemand Kurt Landauer. Der Sohn eines jüdischen Kaufmanns war zwischen 1913 und 1951 insgesamt 18 Jahre an der Spitze des Vereins. Während des Nationalsozialismus entkam er dem Tod nur durch die Flucht in die Schweiz. Erst 2013 wurde er von der Vereinsführung zum Ehrenpräsidenten ernannt, nachdem sich diese lange Zeit nur halbherzig oder gar nicht um sein Andenken kümmerte.

Die Ultragruppe des FC Bayern trägt seit 2006 jährlich ein antirassistisches Fußballturnier um den Kurt-Landauer-Pokal aus und hat den ehemaligen Vereinspräsidenten zu verschiedenen Anlässen immer wieder mit Stadionchoreografien gewürdigt. Hinzu kommen verschiedene Aktionen, die weniger publikumswirksam sind. So begleiten Mitglieder der Schickeria beispielsweise regelmäßig den über 90-jährigen Neffen Landauers zu den Bayern-Heimspielen und betreuen ihn währenddessen.

Für dieses Engagement wird die Gruppe vom DFB jetzt mit dem Julius-Hirsch-Preis ausgezeichnet. „Die Choreografien und Aktionen für den ehemaligen FC-Bayern-Präsidenten Kurt Landauer und andere jüdische Vereinsmitglieder haben viele Fußballfans für dieses Thema sensibilisiert“, wird Verbandspräsident Wolfgang Niersbach in einer Pressemitteilung zitiert.

Dass diese Ehrung mittlerweile für Aufsehen sorgt, verwundert nicht. Die Schickeria hatte in der Vergangenheit in ganz anderen Zusammenhängen für Schlagzeilen gesorgt. Die regelmäßige Verwendung der durch den DFB geächteten Pyrotechnik, Auseinandersetzungen mit rivalisierenden Ultragruppen sowie ein Dauerstreit mit den eigenen Vereinsverantwortlichen um Stehplätze und Dauerkarten in der Südkurve waren zuletzt die bestimmenden Themen.

Das wird auch Wolfgang Niersbach bewusst sein, der zugleich Vorsitzender der Preisjury ist. Deswegen hat er fast rechtfertigend den Satz hinterhergeschoben, die Schickeria habe „in den vergangenen Jahren eine positive Entwicklung genommen“.

Dass der FC Bayern so verschwiegen mit dieser Ehrung umgeht, hat möglicherweise mit einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zu tun. Dort wurde berichtet, dass der Verein 90 Stadionverbote zur Bewährung aussetzt und somit den Betroffenen erlaubt, wieder an Heimspielen des Vereins teilzunehmen. Unter den Betroffenen sollen sich Mitglieder der Schickeria befinden. Die vom Verbandsrecht des DFB gedeckte Maßnahme sorgte jedoch gegenwärtig bei der Polizei für große Empörung.

Der Julius-Hirsch-Preis wurde nicht zum ersten Mal an eine Ultragruppe vergeben. Bereits 2012 wurden die Frankfurter „Droogs“ mit dem Fanprojekt Frankfurt ausgezeichnet. 2013 folgten ihnen die „Ultras Nürnberg“, für eine Choreografie in Gedenken an den jüdischen FCN-Trainer Jenö Konrad.

Dass solche Ehrungen nicht frei von Spannungen sind, liegt auf der Hand. Weder Frankfurter noch Nürnberger sind Sympathisanten des DFB und seiner Regeln. Während Nürnberger die Auszeichnung persönlich entgegennahmen, überließen die Frankfurter dies dem Fanprojekt. Laut Insider-Informationen wird auch die Schickeria den Preis annehmen.

Letztlich müssen diese Preisverleihungen also als ein Eingeständnis der DFB-Verantwortlichen gewertet werden, das die Ambivalenz im Wirken von Ultragruppen anerkennt. Ein positiver Ansatz in einer ansonsten oft nur eintönig geführten Debatte.