Schadstofflotto in Dahlenburg

In Dahlenburg will die Firma Molda eine Müllverbrennungsanlage bauen, um sich billig mit Energie zu versorgen. Eine Bürgerinitiative fürchtet um die Gesundheit der Anwohner. Doch ihr fehlen Unterstützer gegen den größten Arbeitgeber vor Ort

von KARIN CHRISTMANN

Es ist ebenso ein rechtlicher wie ein moralischer Kampf, der zurzeit in Dahlenburg, einem Dorf in der Nähe von Lüneburg, ausgetragen wird. Wenn die Firma Molda mit ihrer geplanten Müllverbrennungsanlage alle rechtlichen Vorschriften einhält, muss das Gewerbeaufsichtsamt den Bau genehmigen. Doch eine Bürgerinitiative fürchtet um die Gesundheit der Bürger und fordert eine schadstoffärmere Anlage als das Gesetz sie vorschreibt. Die will sich die Molda, die ihr Geld mit der Trocknung von Lebensmitteln verdient, aber nicht leisten.

Ab Ende 2008 soll die Müllverbrennungsanlage (MVA) die Firma mit billiger und sicherer Energie versorgen und das Kohlekraftwerk ersetzen, das momentan betrieben wird. Einen „Sechser im Lotto“ für seine Firma nennt Vorstand Georg Knobloch die Anlage. Die gesetzlichen Grenzwerte soll die Anlage einhalten – mehr aber nicht. In Dahlenburg ist Molda nicht nur ein potenzieller Luftverschmutzer, sondern auch der größte Arbeitgeber. 400 Menschen beschäftigt die Firma, in der Samtgemeinde wohnen 6.500. „Wir brauchen die Molda“, sagt Samtgemeindebürgermeister Joachim Dassinger, und die Molda, sagt Vorstand Knobloch, brauche die Müllverbrennungsanlage – zur „Standortsicherung“.

Am vergangenen Donnerstag war die erste Anhörung, um die 200 Einzel- und 500 Sammeleinwendungen zu erörtern, die die Dahlenburger erhoben haben. Das Gewerbeaufsichtsamt ist da, die Molda und natürlich die Einwender– meist sprechen in ihrem Namen die Vertreter der Bürgerinitiative und die von ihr beauftragten Experten. Nur rund 40 Dahlenburger sind gekommen: „Die trauen sich nicht“, sagt einer von denen, die da sind. Und nur knapp jeder zehnte Bewohner hat die Protestlisten der Bürgerinitiative unterschrieben. Jens-Peter Finck ist im Vorstand der Bürgerinitiative. „Politik und Wirtschaft vertragen sich in Dahlenburg prächtig“, sagt er, und verweist auf die zahlreichen Ausnahmegenehmigungen, die die Molda für ihre Pläne erhalten habe.

Auch deshalb glaubt er, den Bau noch mit rechtlichen Mitteln verhindern zu können, denn die Ausnahmegenehmigungen seien nicht gerichtsfest und die Antragsunterlagen fehlerhaft und unvollständig. Darüber hinaus verweist er auf die Expertise des Toxikologen Hermann Kruse von der Universität Kiel: „Die gesetzlichen Vorschriften reichen nicht aus, um die Bevölkerung sicher zu schützen“, sagt Kruse.

Bessere Vorsorge kostet aber Geld, das die Molda nicht ausgeben will. „Noch bessere Technik brauchen wir nicht“, sagt Vorstand Knobloch. Das sieht Kruse anders: Eine MVA stoße eine besonders breite Palette von Schadstoffen aus, die für Anwohner ein zusätzliches Gesundheitsrisiko seien. Die Schadstoffe seien ein Zusatzbeitrag beim Krebsrisiko und belasteten Hormon- und Nervensystem. Kinder, sagt Kruse, reagierten besonders sensibel auf Schadstoffe – und die MVA soll in der Nähe einer Grundschule gebaut werden.

Die Befürworter können hingegen keine Gesundheitsrisiken erkennen, solange die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden. Die Leiterin des zuständigen Gewerbeaufsichtsamtes nennt die Kritik ein „Jammern auf hohem Niveau“. „Wie sauber soll es denn noch sein?“, fragt Bürgermeister Dassinger. Zumindest finanziell wäre es für die Gemeinde vorteilhaft, wenn die Molda das Gelände für die MVA kaufte. Sollte sich bis 2009 kein Käufer gefunden haben, müsste es die Gemeinde vom jetzigen Inhaber zurückkaufen.