Kredit ohne Grenzen

EU-Kommission will Kundenrechte bei Finanzgeschäften harmonisieren. Verbraucherschützer warnen davor

BERLIN taz ■ Verträge für Versicherungen oder Kredite für den Hausbau schließen europäische Verbraucher bisher fast nur im eigenen Land ab. Nur 1 Prozent wendet sich an ausländische Anbieter. Der Grund: Für Lastschriftverfahren oder Geldanlageprodukte gibt es in der EU bisher keinen Binnenmarkt – die Gesetze in den 27 Mitgliedsmärkten sind unüberschaubar.

Das will die Europäische Kommission nun ändern und dabei auch die Verbraucherrechte stärken: „Verbraucher gehören ans Steuer der wirtschaftlichen Entwicklung“, sagte Meglena Kuneva, EU-Kommissarin für Verbraucherschutz, gestern beim 9. Europäischen Verbrauchertag in Berlin. Schließlich seien verbraucherfreundliche Märkte auch wettbewerbsfähiger und innovativer. Darum sollen sich Verbraucher künftig besser informieren und sich so besser entscheiden können, wenn sie etwa eine Lebensversicherung abschließen, sagte Kuneva, ohne Details zu nennen. Gleichzeitig will die Kommissarin die unterschiedlichen Gesetze der einzelnen Staaten für Finanzdienstleistungen vereinheitlichen.

Genau davor warnen aber die Verbraucherschützer. „Die Gleichung ‚Erst die Marktöffnung durch Harmonisierung und dann der Verbraucherschutz‘ kann nicht aufgehen“, sagte Edda Müller, Chefin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Sie befürchtet, dass hohe nationale Standards auf der Strecke bleiben, wenn alle Regeln angeglichen werden. Statt einer „Vollharmonisierung“ will Müller gleiche Regeln nur dort, wo sie sinnvoll sind: Den Zahlungsverkehr innerhalb der EU zu vereinheitlichen, sei unbestritten notwendig. Ob die Bürger aber überhaupt Kredite und Versicherungen aus anderen Mitgliedsländern wollten, sei noch zu prüfen, so Müller. Schließlich gebe es in Deutschland keinen Mangel an Auswahl bei diesen Produkten – eher fehle es an Transparenz und Vergleichbarkeit, wie die vielen Beschwerden bei Finanzdienstleistungen zeigten.

Damit der Markt für die Bürger in den einzelnen Ländern nicht noch komplizierter wird, fordert die Verbraucherzentrale, dass jeweils die Regeln des Landes gelten, in dem eine Leistung erbracht wird. Dass ein solches „Ziellandprinzip“ bei den Menschen besser ankommt als das „Herkunftslandprinzip“, bei dem die Regeln aus dem Land des Anbieters gelten, habe sich schon im vergangenen Jahr bei der Diskussion um die umstrittene EU-Dienstleistungsrichtlinie gezeigt.

CHRISTIAN HONNENS